Kinder der Apokalypse
der seinen großen Kopf wiegte. Sein Blick war glasig gewesen, der Atem abgerissen. Es gab nichts, was man noch hätte tun können, um ihn zu retten, und dennoch …
Und dennoch hatte Hawk ihn gerettet.
Wie hatte er das nur gemacht?
Er löste sich von Candle, stand auf und ging zu der Stelle, wo Cheney zu Ende getrunken hatte und nun friedlich lag. Die grauen Augen wandten sich Hawk zu, als er näher kam, nicht mehr glasig, sondern scharf und klar. Hawk kniete sich neben den Hund, fuhr mit den Händen über das dichte Fell, über den grau werdenden Kopf und kraulte Cheney dann die Ohren. Alle Wunden waren geheilt. Es gab Narben unter dem Fell, so, als lägen die Verletzungen schon lange zurück, aber darüber war das Fell so gut wie unversehrt.
Hawk schaute auf den großen Hund hinunter und fragte sich, ob er sich seinen Anteil an dieser Sache nur einbildete. Vielleicht glaubte er nur, er hätte etwas getan, weil er es sich so sehr gewünscht hatte. Vielleicht waren die Wunden nicht so schwer gewesen, wie sie alle angenommen hatten, oberflächlicher, als es den Anschein hatte, und …
Er bremste sich. Das war dumm. Er hatte sich nichts an diesen Wunden eingebildet. Nein, etwas war in der vergangenen Nacht geschehen, etwas zwischen ihm und Cheney, dessen einzige Zeugen sie beide gewesen waren – etwas, das er noch nicht verstand.
Und vielleicht auch nie verstehen würde.
Er stand auf und kam sich seltsam vor. Er war nicht mehr der gleiche Mensch. Er war ein anderer, weil nur ein anderer, einer, von dem er nichts wusste, für Cheney getan haben konnte, was er getan hatte.
»Sieh ihn dir an«, murmelte Panther. »Er weiß etwas, aber er sagt es nicht. Teufelshunde verraten nie, was los ist.«
Hawk schickte sie alle an die Arbeit, denn er war zu dem Schluss gekommen, dass es besser war, einfach weiterzumachen, als herumzusitzen und sich Fragen zu stellen. Nach den Ereignissen des Vortages wusste er instinktiv, was sie brauchten. In den nächsten paar Tagen würden sie in einem der oberen Stockwerke des Hauses leben. Das war zwar nicht so sicher, wie er es gerne gehabt hätte, aber nichts fühlte sich im Augenblick sicher genug an. Er schickte Fixit und Chalk aus, um eines der Zimmer vorzubereiten, das sich abschließen und verteidigen ließ. Sie würden heute umziehen, mitnehmen, was sie tragen konnten, und den Rest für später lassen. Sie würden die Leiche des riesigen Tausendfüßlers ebenfalls in dem unterirdischen Raum lassen. Sie war zu schwer und unangenehm zu bewegen, und es gab eigentlich auch gar keinen Grund dazu. Hawk hoffte, dass es nicht noch mehr von diesen Ungeheuern gab, dass dieser Tausendfüßler der Einzige gewesen war, eine Mutation, die aus dem Abflusssystem und den unterirdischen Gängen kam. Aber welchen Weg sie auch genommen und was diese Mutation bewirkt hatte, das waren Rätsel, die sie wohl niemals lösen würden. Zumindest wusste er nun jedoch, wonach sie bei Morden und Verstümmelungen von Echsen und Krächzern oder anderen Stämmen suchen sollten.
Als er sich zu den anderen setzte, um ein schnelles Frühstück einzunehmen, das kalt und aus dem Trümmern des Küchenbereichs zusammengesucht war, stellte er fest, dass er wieder an die Zeichen dachte, die ihm entgangen waren. Er hätte aufmerksamer sein sollen, nachdem sie auf die tote Echse gestoßen waren und von den Krächzern gehört hatten. Er hätte wissen sollen, dass er vorsichtiger sein musste, nachdem Candle in dem Keller des Lagerhauses, wo die Reinigungstabletten lagerten, ihre Vision hatte. Er war nun sicher, dass der Keller der Bau des Tausendfüßlers gewesen war. Irgendwo hatte er Tiger und die Cats verfolgt, hatte sie überrascht und getötet, bevor sie sich verteidigen konnten. Dann hatte er die Ghosts in ihr unterirdisches Heim verfolgt, sich durch die alten Luftschächte hineingewunden und durch die Decke gegraben.
Er schüttelte den Kopf, und vor seinem geistigen Auge erschien ein alptraumhaftes Geschöpf, ein Ungeheuer, das sich durch Stahldraht graben konnte, durch Gips und Beton.
Er wunderte sich erneut über Sparrows Tapferkeit. Sie hatte sich nicht nur gewehrt, sondern auch Owl und Squirrel beschützt. Er warf ihr einen Blick zu, überzeugte sich, dass sie immer noch das gleiche kleine Mädchen war, dass sie sich nicht irgendwie auf eine Weise verändert hatte, wie er sich verändert fühlte. Sie saß ruhig essend da, sagte nicht viel, das Gesicht gefasst unter dem dichten strohblonden Haar. Sie sah aus
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