Kinder der Apokalypse
hatte, ihn ins Lager zu lassen. Ethan traute den Außenseitern generell nicht, was wahrscheinlich der Grund war, weshalb die Lagerbewohner in Sicherheit waren. Es war besser, niemandem, den man nicht kannte, zu trauen – so viel wusste die Wache von der Welt. Wenn es um Außenseiter ging, konnte man nie sicher sein.
Er lauschte angestrengt, aber er konnte nur die Geräusche seines eigenen Atems hören. Die Stahltür war zu dick, sie dämpfte alles, was drinnen gesprochen wurde. Es wäre besser gewesen, sie ein wenig offen zu lassen, dann hätte er etwas hören können. Aber Ethan würde nie ein solches Risiko eingehen. Die Tür war geöffnet worden, um den Mann hineinzulassen, und sie würde wieder geöffnet werden, damit er herauskommen konnte, und dann noch einmal bei Sonnenuntergang.
Der Mann schauderte, als er daran dachte, was mit dem Jungen und dem Mädchen passieren würde, sobald die Sonne unterging. Er dachte daran, dass man sie zu den höchsten Mauern des Lagers bringen und ins vergehende Licht stoßen würde. Er dachte an die Geräusche, die sie machen würden, wenn sie auf den Beton am Fuß der Mauern prallten. Er hatte es schon öfter gehört und gehofft, es nie wieder hören zu müssen.
Er wartete noch einen Moment, dann trat er ungeduldig zurück. Lauschen war Zeitverschwendung. Er ging ein paar Schritte den Flur entlang, wo sein Klappstuhl wartete, und setzte sich hin.
* **
Als Logan seine Geschichte beendet hatte, sagte der Junge:
»Wollen Sie damit behaupten, dass ich kein Mensch bin?«
Logan zögerte. »Ich weiß nicht, was du bist. Du bist der Sohn einer Frau – ich denke, das macht dich zu einem Menschen. Aber zuerst warst du etwas anderes, ein magisches Geschöpf, und sie besaß immer Magie.« Er zuckte mit den Achseln. »Was macht das schon für einen Unterschied? Was zählt ist doch, was du jetzt sein solltest.«
Der Junge sah ihn einen Moment an, dann schüttelte er den Kopf. »Ich glaube kein Wort davon. Ich nehme an, Sie glauben es, sonst wären Sie nicht von so weither gekommen. Aber diese Knochen könnten mir alles Mögliche erzählen.«
Logan nickte. »Mag sein, aber darum geht es nicht.«
Hawk schwieg einen Augenblick. »Sagten Sie nicht, ich würde wissen, was ich tun soll, wenn die Knochen mich gefunden haben? Wenn ich dieser … was immer es sein mag … wäre.«
»Zigeunermorph.«
»Zigeunermorph. Aber ich weiß jetzt nicht mehr als zuvor. Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll. Oder was alle denken, dass ich tun soll.«
»Du hast Visionen. Candle hat es mir erzählt. Du hast Träume von dem Jungen und seinen Kindern. Vielleicht ist das ein Teil davon.«
Hawk saß reglos da und starrte ins Leere, ohne zu verraten, was er dachte. Er dachte nach, zog sich den Schuh probeweise an, fand aber nicht, dass er passte. Logan sah ihm das alles an, sah es in seinen Augen. Er war ein Junge, der in einer Zelle saß und auf den Tod wartete, und diese letzte Wendung des Schicksals war zu viel für ihn. Warum er noch nicht zu wissen schien, wer er war oder was er tun sollte, überraschte Logan allerdings. Er hatte angenommen, es würde alles klar werden, sobald er den Morph gefunden hatte. Nun fragte er sich plötzlich, ob er etwas vergessen hatte.
Dann fiel es ihm abrupt wieder ein. Er hob die Knochen auf und hielt sie dem Jungen hin. »Nimm sie. Wenn du der Morph bist, gehören sie dir. Es sind die Knochen deiner Mutter, sie helfen dir vielleicht, dich zu erinnern.«
Hawk sah die Knochen an, dann ihn und schüttelte den Kopf. »Ich will nichts mit diesen Knochen zu tun haben. Ich will, dass Sie sie wegnehmen.«
»Wenn ich das tue, was wird dann aus dir werden? Sie werden dich töten.« Logan ließ die Hand ausgestreckt. »Und Tessa. Was ist mit ihr?«
Der Junge schwieg lange, lehnte sich zurück, schaute auf den Boden. »Sie hat den Richtern gesagt, dass sie mit meinem Kind schwanger sei«, erklärte er schließlich. Er blickte wieder auf, sah Logan in die Augen. »Ich weiß nicht, ob das stimmt oder nicht.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Aber es ist gleich, nehme ich an. Es ist alles gleich. Selbst wenn ich bin, was Sie sagen, selbst wenn das die Knochen meiner Mutter sind, ändert das nichts daran, was mit mir und Tessa geschehen wird.«
»Und die Ghosts?«, fragte Logan. »Sie scheinen an dich zu glauben. An den Jungen und seine Kinder. Das ist ihnen gleich eingefallen, als ich ihnen sagte, dass ich nach dem Zigeunermorph suche und was von dem Morph erwartet wird.
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