Kinder der Apokalypse
einen Weg finden. Aber du musst Geduld haben. Du musst mir vertrauen.«
»Ich vertraue dir. Ich liebe dich.« Er beugte sich vor, um sie zu küssen, so dass er nichts mehr sagen musste, so dass er es dabei belassen konnte.
Sie erwiderte den Kuss. »Du solltest jetzt lieber gehen«, flüsterte sie gegen seine Lippen.
Dann glitt sie durch die Tür nach hinten in den Untergrund und war verschwunden. Er wartete, bis er das Klicken des schweren Schlosses hörte, und wartete noch eine Weile, weil er sich so sehr nach ihr sehnte, dass er sich nicht bewegen konnte. Er wartete lange.
* **
Hawk kehrte durch die Stadt zurück, mit Cheney an seiner Sei te. Der Himmel war verborgen hinter Wolkenbänken, die alles in Finsternis hüllten. Die Gebäude drängten sich still und leer um ihn, hohle Monolithen, stumme Zeugen der Zerstörung, die sie überlebt hatten. Es gab keine Lichter. Früher einmal wäre diese Stadt strahlend hell beleuchtet gewesen, jedes Fenster freundlich und heimelig. Panther hatte ihm das erzählt, er hatte es kurz vor dem Ende in San Francisco erlebt. Owl hatte den Ghosts Geschichten vorgelesen, in denen junge Leute durch Straßen gingen, die von Lampenschein erhellt waren. Sie hatte ihnen Geschichten vom Mond vorgelesen, der als silberne Kugel an einem Himmel voll glitzernder Sterne stand, die sich wie tausend Nadelspitzen vor dem samtigen Schwarz abzeichneten.
Keiner von ihnen hatte das je gesehen, aber sie glaubten, dass es so gewesen war. Hawk glaubte, es würde eines Tages wieder so sein.
Er arbeitete sich an den Schutthaufen vorbei, um Autowracks und gerissene Betongegenstände herum, und wich Eingängen aus, die zu dunkel waren, um hineinzuschauen, und zu gefährlich, um achtlos an ihnen vorbeizugehen. Es wimmelte an diesem Ort von Raubtieren und Wild. Ihre Schatten bewegten sich um ihn herum, manche in den Gassen, manche in den Gebäuden. Sie waren immer dort, die letzten Reste der alten Welt, die Reste, die von Zerstörung und Wahnsinn übriggeblieben waren. Er empfand ein gewisses Mitgefühl für diese Wesen, die in der Nacht jagten und gejagt wurden. Sie hatten das hier ebenso wenig gewollt wie er. Auch sie waren Opfer des skrupellosen Verhaltens der Menschheit, ihres erbärmlichen Urteilsvermögens.
Er dachte wieder an Tessa und überlegte verzweifelt, wie er sie überreden konnte, bei ihm zu leben. Aber ihre Bindung an ihre Eltern war so stark, dass er keinen Ausweg sehen konnte. Er lehnte das ab, aber er verstand sie auch. Er wusste, dass ihre Gefühle für ihre Eltern so stark sein mussten wie seine für sie. Aber es konnte nicht so weitergehen. Früher oder später würde etwas geschehen, das die Situation veränderte. Das wusste er einfach. Was ihn beunruhigte war der Gedanke, dass Tessa einer schnellen Flucht vielleicht im Weg stehen würde.
Er würde morgen noch einmal mit ihr darüber sprechen. Er würde jeden Abend mit ihr darüber sprechen, bis sie es sich anders überlegte.
Als er den Eingang zur Unterwelt erreichte, blieb er stehen, um sich vorsichtig umzusehen und sich zu überzeugen, dass ihm auch wirklich nichts folgte. Zufrieden betrat er dann das Gebäude, in dem sich ihr Zuhause befand. Er bewegte sich nun schnell, Cheney an der Seite, und fühlte sich plötzlich müde und bereit zu schlafen. Die schwere Tür war verriegelt und verschlossen, und er klopfte auf die vorgeschriebene Weise, damit Owl ihm öffnete.
Aber es war nicht Owl, die die Tür aufmachte. Es war Candle. Sie stand unmittelbar hinter der Tür, als er hereinkam, klein und schmächtig in ihrem Nachthemd, das rote Haar zerzaust. Hawk wartete auf Cheney, der zu seinem üblichen Schlafplatz trottete, dann schloss er die Tür und sperrte ab. Als er Candle wieder ansah, bemerkte er zum ersten Mal, wie groß ihre Augen waren und wie viel Angst darin stand.
Er kniete sich vor sie. »Was ist los?«
»Ein Traum«, flüsterte sie. »Owl ging ins Bett, und ich bin aufgeblieben und habe auf dich gewartet und hatte einen Traum. Ich sah etwas. Es war groß und hat mir Angst gemacht.«
»Was war es, Candle?« Er legte die Hände auf ihre Schultern und merkte, dass sie zitterte. Er zog sie an sich und umarmte sie. »Sag es mir.«
Er konnte ihr Gesicht nicht mehr erkennen, weil sie sich dicht an ihn gedrängt hatte. Aber er spürte ihr Kopfschütteln an seiner Schulter. »Ich bin mir nicht ganz sicher. Aber es ist auf dem Weg hierher, und wenn es uns findet, wird es uns wehtun.« Sie hielt inne, und dann brach ihre
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