Kinder der Apokalypse
würde, wieder sammeln konnte. Nichts durfte zwischen ihn und seine Aufgabe geraten. Two Bears hatte vollkommen klargemacht, dass die Zukunft der Menschheit davon abhing, ob er in der Lage war, diese Aufgabe auszuführen oder nicht. Eine solche Verantwortung erlaubte keine Abweichungen und keinen persönlichen Luxus. Er konnte nicht riskieren, bei einem Angriff, der im Grunde sinnlos war, umzukommen. Wie schrecklich es auch sein mochte, er musste an dem Lager vorbeifahren.
Aber wie konnte er das? Wie konnte er diese Leute im Stich lassen und sich immer noch einen Ritter des Wortes nennen?
Er versuchte, sich auf die Belohnung zu konzentrieren, die Two Bears ihm versprochen hatte. Wenn er tat, was er sollte, würde der Dämon, der für den Mord an seiner Familie verantwortlich war, dieses Ungeheuer mit seinem wissenden Lächeln und den Augen so kalt wie der Tod, ihm ausgeliefert werden. Es war ein gewaltiges Versprechen, aber er glaubte, Two Bears hätte es nicht machen können, wenn er es nicht auch halten konnte. Er hatte diesen Dämon mehr gewollt als alles andere. Er hatte jahrelang nach ihm gesucht und geglaubt, im Lauf seines Kampfes früher oder später über ihn zu stolpern. Es schien unmöglich, dass das nicht passieren sollte. Selbst Michael, der bekannt dafür war, dass er Dinge vorhersagte, die dann auch eintrafen, hatte geglaubt, dass sie ihn schließlich finden würden, dass es einfach unvermeidlich war.
Aber er hatte den Dämon nie wieder gesehen, nicht ein einziges Mal.
Er wusste jedoch, dass er da draußen war. Er wusste es, so wie er wusste, dass das Versprechen eingehalten würde. Er wusste es, so wie er wusste, dass es der Sinn seines Lebens war, diesen Dämon zu finden.
Er blieb sitzen, rang mit seinem schlechten Gewissen, dann ließ er das Geländefahrzeug wieder an, wendete es und fuhr von dem Lager und seinen Geräuschen und Gerüchen weg. Er fuhr, bis er die feurige Helligkeit nicht mehr sehen konnte, bis der Horizont hinter ihm nur noch trüb war. Dann befand er sich wieder nahe der Straße, allein auf der Ebene in der Dunkelheit. Er parkte im Schutz eines verfallenden Hauses, stellte das Alarmsystem an und aß etwas, weil er wusste, dass er etwas essen sollte, und dann legte er sich hin, um zu schlafen.
* **
Er steht mit den anderen im Schatten, in den Schluchten und Rissen des Geländes hinter dem Lager. Es ist beinahe Mitternacht, und die Welt ist ein schwarzes Loch unter einem dicht bewölkten Himmel. Leichter Regen fällt, ein kleines Wunder in diesem Bauernland, das zur Wüste geworden ist. Kein Wind bewegt den Staub, keine Brise kühlt die erstickende Hitze ab. Wenn man von dem Stöhnen und den Rufen der Gefangenen absieht, stört kein Laut die tiefe Stille der Nacht.
Er schaut auf seine Waffe hinab, eine Flechette mit kurzem Lauf, die sie Scattershot nennen. Michael hat sie ihm gegeben, traut ihm zu, sie klug und sicher einzusetzen. Er kennt sich mit Waffen aus, ist an ihnen ausgebildet worden, seit Michael ihn in der Nacht, in der seine Eltern und Geschwister starben, aus dem Lager holte. Die Scattershot gibt eine einzige Ladung ab, die einen Umkreis von bis zu sechs Metern säubert, sie ist eine Waffe, die eine breite Todeszone reißt. Man hat ihm gesagt, sie wird gegen die Dinge helfen, die ihn angreifen werden, aber sein bester Schutz besteht darin, dicht bei den anderen zu bleiben.
»Treib dich nicht herum, Junge« , hat Michael ihn gewarnt. »Das hier ist gefährlich. Wenn ich nicht denken würde, dass du etwas lernen wirst, hätte ich dich nicht mitgebracht. Also sorge dafür, dass ich meine Entscheidung nicht bereue. «
Er will Michael nicht enttäuschen, den er liebt und achtet und dem er sein Leben verdankt. Er hat sich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Michael niemals bedauern wird, ihn in dieser ersten Nacht gerettet zu haben. Er packt die Waffe fester und wartet auf das Zeichen zum Angriff. Sie werden dieses Lager angreifen und vernichten und die Menschen, die dort gefangen sind, befreien, um das Arbeits- und Zuchtprogramm zu unterbrechen, das jene Einst-Menschen eingesetzt haben, die die Macht über Leben und Tod dieser Sklaven haben.
Es ist die erste seiner Expeditionen.
Er ist zwölf Jahre alt.
»Seid bereit« , flüstert Michael, der Anführer, und der Befehl wird an der Front weitergegeben.
Als sie angreifen, kommen sie aus den Rissen und Schatten wie Wölfe, dicht am Boden des offenen Geländes, und beeilen sich, die Zäune zu erreichen, bevor die
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