Kinder der Apokalypse
vieles von ihrer Lebensweise aufgegeben. Am Anfang waren sie die beherrschende Spezies gewesen. Jetzt bevölkerten Menschen die Welt, und die verstanden nichts von Magie. Alles, was sie verstanden, war, wie sie das Land verwüsten sollten, wie man sich nahm, was man wollte und sich dabei nicht um den Schaden kümmerte, der dabei angerichtet wurde.
Menschen, dachte er plötzlich, waren Zerstörer.
Er schob sein dichtes blondes Haar beiseite und schrieb das auf, fügte es zu seinen anderen Gedanken hinzu. Er schrieb jeden Abend in sein Tagebuch, bevor er ins Bett ging, schrieb seine Überlegungen und Entdeckungen auf, damit er sie nicht vergessen würde, wenn sein Dienst vorüber war. Wenn andere vor ein paar Jahrhunderten das Gleiche getan hätten, wäre nicht so viel Wissen verloren gegangen. Besonders, was die Ellcrys anging.
Die Auserwählten waren selbstverständlich in der besten Position, um solche Aufzeichnungen zu machen, aber nur wenige taten es. Die Dienstzeit war kurz. Sie wurden am Mittsommer unter den Jungen und Mädchen ausgewählt, die ihr erstes Erwachsenenjahr erlebten, dienten für ein einziges Jahr und übergaben dann diese Pflicht einer neuen Gruppe. Der Baum wählte niemals mehr als acht oder weniger als sechs Personen aus. Nur genug, um die erforderlichen Pflichten auszuführen, sich um sie und den Garten zu kümmern, in dem sie wuchs.
Die Auswahl selbst erfolgte durch ein Ritual. Alle Kandidaten gingen im Morgengrauen des Sonnenwendtages unter den Zweigen des Baums hindurch. Jene, die die neuen Auserwählten werden sollten, wurden von einem Zweig des Baums leicht an der Schulter berührt. Es war das einzige Mal im Jahr, dass er mit ihnen kommunizierte. Wie die Ellcrys diese Auswahl traf, wie sie zu dem Schluss kam, wer ihr die nächsten zwölf Monate dienen sollte, wusste niemand. Dass sie ein fühlendes Wesen war, bezweifelte jedenfalls keiner. Die Legende berichtete, dass sie schon so geschaffen worden war und dass das Wesen ihrer Existenz, so vage die Historien es auch beschrieben, verlangte, dass sie in ununterbrochener Verbindung zu den Elfen stand. Daher die Präsenz der Auserwählten, die sich täglich um sie kümmerten, und der fortlaufende Schutz der Gemeinschaft, die sich auf sie verließ.
Kirisin schrieb die letzten Zeilen seines Eintrags, schob seine Schreibsachen beiseite und stand auf, um sich zu strecken. Die Sonne würde in einer Stunde aufgehen, und dann würden die Auserwählten in den Garten gehen, um die Ellcrys zu begrüßen und sie zu einem neuen Tag willkommen zu heißen. Es war nur eine Formalität. Sie taten das, weil die Auserwählten es so lang getan hatten, wie man sich erinnern konnte. Es war ein Brauch, der in der Notwendigkeit wurzelte, die Verbindung zu dem Baum aufrechtzuerhalten.
Eigentlich seltsam. Die Ellcrys war ihnen verpflichtet, aber den größten Teil der Zeit schien sie sich ihrer Präsenz nicht bewusst zu sein. Das kam Kirisin nicht richtig vor. Er dachte darüber nach und schüttelte dann verärgert über sich selbst den Kopf. Das war ungerecht von ihm. Sie war ein Baum, und welcher Baum hatte schon je eine gute Beziehung zu einem zweibeinigen Geschöpf gehabt, bei dem immer die Gefahr bestand, dass es sie einer Laune folgend umhacken und als Feuerholz verwenden könnte?
»Was machst du da, Kirisin?«, fragte eine vertraute Stimme.
Erisha stand direkt hinter ihm. Er hatte nicht gehört, wie sie näher gekommen war, und das ärgerte ihn. Sie konnte sich wirklich gut anschleichen! Sie stand mit den Händen auf den Hüften da, einen herausfordernden Ton in der Stimme. Sie war fünf Minuten älter als Kirisin und die Anführerin der Auserwählten. Sie war auch die Tochter des Königs. Das störte Kirisin nicht, aber er wünschte sich, sie wäre ein bisschen weniger von sich selbst eingenommen.
»Ich habe gerade einen Tagebucheintrag zu Ende geschrieben«, sagte er lächelnd.
Sie erwiderte das Lächeln nicht. Das war das Problem mit Erisha. Sie lächelte nicht genug. Sie nahm alles so ernst, als würde das, was sie jetzt taten, alles überschreiten, was sie sonst noch in ihrem Leben tun würden. Es war falsch, etwas so ernst zu nehmen. Es ließ einen zu schnell alt werden und nahm einem Energie und Hoffnung. Er hatte gesehen, wie es mit seinen Eltern geschah, die sich so bemüht hatten, den König dazu zu bringen, eine zweite Enklave an den Berghängen von Paradise einzurichten, wo die Luft und das Wasser sauberer waren. Aber die Cintra zu
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