Kinder der Dunkelheit
sich durch die antiquarischen Folianten zu arbeiten. Sie verfügte ja bereits über ein fundiertes Grundwissen, doch mit dem, was sich ihr hier noch erschloss, würde sie ein Wissen aufbauen können, das ihr ansonsten wohl für immer verwehrt geblieben wäre.
Wie rasch die Zeit verflogen war, merkte sie letztlich nur daran, dass das Licht der Sonne langsam über den Schreibtisch gewa ndert war, denn heute waren die Fensterläden offen geblieben, und auch daran, dass Marcello plötzlich mit einer Kanne frisch gebrühten, dampfenden Tees vor ihr stand.
„Sie sollten wirklich etwas mehr trinken. Es ist nicht gesund, was Sie da machen, Sigñora.“
Sabine nickte schuldbewusst. „Ja, ich weiß schon, ich war so versunken in all das hier, dass ich es total vergessen habe. Vielen Dank, Marcello, das ist wirklich ganz reizend.“
Der Diener lächelte sie freundlich an. „Ich muss doch auf Sie achten, was denken Sie, was passieren würde, wenn die Herren zurückkommen und Sie nicht bei bester Gesundheit vorfinden?“
„Das ist lieb von Ihnen. Ist eigentlich Angel inzwischen wach, haben Sie ihn schon gehört?“
Ein Lächeln huschte über das sonst so ernste Gesicht des Di eners. „Das kann man so sagen, horchen Sie doch einmal.“ Er öffnete leise die Tür und man hörte Angel aus voller Kehle Bon Jovis Song „Always“ singen. „Wie Sie hören können, Sigñore Angel ist wieder wach.“
Marcello zog sich mit einer leichten Verbeugung zurück und S abine beeilte sich, die Bücher zusammenzupacken und den Schreibtisch aufzuräumen – nebenher gönnte sie sich etwas von dem leckeren Tee. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass sie volle sechs Stunden hier zugebracht hatte. Es war schon fast vier und sie hatte noch nichts von Luca gehört! Beunruhigt machte sie sich auf den Weg zu Angel, die Hände um die wärmende Tasse gelegt. Zu ihrer Enttäuschung kam der inbrünstige Gesang aber aus seinem Zimmer und dort wollte sie ihn dann doch nicht stören. Leise wandte sie sich kurz vor der Tür wieder ab und schickte sich gerade an, die Treppe nach unten zu gehen, da erklang Angels sanfte Stimme.
„ Komm ruhig herein, ich tu dir schon nichts.“ Wie von Geisterhan d sprang die Tür auf.
Sabine staunte: Was konnten die Vampire denn sonst noch a lles? „Angel, ich will dich nicht in deinen Privaträumen stören, ich warte unten.“
„Blödsinn, corazón, komm schon rein, ich bin auch angez ogen.“
Dass das nur teilweise der Wahrheit entsprach, sah Sabine s ofort, als sie zaghaft die Nase ins Zimmer steckte. Angel war, im Kopfstand an eine Wand gelehnt, nur mit einer schwarzen Trainingshose bekleidet.
„Richtig viel hast du ja nicht an – was machst du da?“ Sabine legte den Kopf leicht schief, um Angels Augen in der Flut von Haaren ausmachen zu können.
„Na und? Du siehst nichts, was du nicht sehen darfst, und ich versuche, mich hier fit zu halten. Die Konkurrenz schläft nicht, weißt du?“
Sabine musste schmunzeln, als sie den ernsten Ton in seiner Stimme hörte. „Weil ihr so wahnsinnig viel Konkurrenz habt, oder? Dass ich nicht lache.“
„Lach lieber nicht, du hast ja nur vier von uns gesehen, Luca, Raffaele und mich. Habib sah im Leben auch verdammt gut aus, das darfst du mir glauben.“
Sabine nickte nachdenklich. „Er sah im Tode noch sehr gut aus, ich denke, er war ein sehr eindrucksvoller Mann.“
„Ja, ganz sicher. Aber nicht wieder zurück zu solch traurigen Themen. Worauf ich hinauswollte, ist, dass du ja die Söhne von Matthew oder Richard noch nicht gesehen hast, ganz zu schweigen von Marlons kühlem polnischem Engel der Nacht, Stefan. Ich kann dir sagen, da bleibt dir die Luft weg, mi corazón!“
Sabine ließ den Blick langsam über Angels nackten Oberkörper gleiten, dessen Sixpack jedem Bodybuilder die Tränen in die Augen getrieben hätte, ganz zu schweigen von den muskulösen Oberarmen. Aber sie verkniff sich irgendwelche Lobeshymnen, da sie das doch recht gesunde Ego des Spaniers nicht noch weiter füttern wollte.
„So, das reicht für heute.“ Mit elegantem Schwung stieß Angel sich von der Wand ab und stand, ohne auch nur ansatzweise zu schwanken, kurz darauf wieder auf den Beinen. Er griff sich ein weißes ärmelloses Shirt und streifte es sich über. „Nicht, dass ich deine tugendhaften Augen beleidige, nicht wahr?“
Statt einer Antwort warf Sabine eines der Sitzkissen nach ihm, die er auf seiner großen braunen Ledercouch drapiert hatte. Angel grinste, doch seine
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