Kinder der Dunkelheit
kann, allerdings haben wir, denke ich, in Abdallahs Wüstendomizilen kein Internet und keinen Handyempfang. Dazu muss man erst in eine der Städte oder in die Nähe eines Sendemastes. Hör auf dein Blut, wenn du tief in dich hineinspürst und deinen Geist öffnest, kannst du mich fühlen. Versuch es einfach, versprochen?“
Sabine versicherte es ihm trotz des dicken Kloßes in ihrem Hals. Als dann auch noch Raffaele sie umarmte und ihr einen Kuss aufs Haar hauchte, war es mit ihrer mühsam aufrechterha ltenen Selbstbeherrschung vorbei. Sie sah den beiden durch einen nicht versiegen wollenden Tränenstrom nach, während sie von heftigen Schluchzern geschüttelt wurde. Nur zu gern flüchtete sie sich in Angels tröstend geöffnete Arme. Er hielt sie wortlos fest umfangen, streichelte ihr über den Rücken und hoffte, so ihre Verzweiflung über diesem Abschied ein wenig zu mildern.
22.
„Das ist ja noch besser, als wir erwarten durften! Saif hat die Türkei verlassen und ist auf dem Weg nach Tunis. Einerseits eine schlechte Entscheidung für uns, weil wir es jetzt dort in der Wüste mit zwei der erfahrensten Kämpfer zu tun haben, andererseits ist damit die Residenz in Istanbul wesentlich leichter zu knacken.“ Ares lehnte sich zufrieden in seinem hohen Bürostuhl zurück und blickte seinen Vater triumphierend an.
Alexandres Freude aber schien sich in Grenzen zu halten. „Gut für deine Männer, unerfreulich für uns. Ich hatte mich der Hof fnung hingegeben, dass die Fürsten ihre Krieger jetzt nicht von ihren Familien wegschicken. Mustafa scheint auf seine alten Tage nachlässig geworden zu sein. Mir gefällt der Gedanke nicht, dass sie sich jetzt alle um Abdallah scharen. Wenn sie zu schnell erkennen, was wir tatsächlich vorhaben, könnte uns das ziemliche Schwierigkeiten bereiten.“
Während Ares zu einer Antwort ansetzte, vibrierte sein Handy. Er las die Nachricht, die ihn eben erreicht hatte, und lachte scha llend los. „Köstlich! Es wird ein Selbstläufer, zumindest der Zugriff in Istanbul. Die junge Lady hat es rundweg abgelehnt, in die Residenz zu ihrem Vater zu ziehen. Sie bleibt in ihrer Stadtwohnung, nur von zwei Wächtern aus den Reihen ihres Vaters und einem nächtlichen Securityservice geschützt. Vater, tu mir jetzt bitte den Gefallen und nimm wenigstens das als positives Zeichen! Deine negative Einschätzung unserer Fortschritte macht es nicht immer leicht, optimistisch zu sein. Weißt du das eigentlich?“
Alexandre seufzte hörbar. „Wärst du an meiner Stelle, würdest du all das hier auch mit Vorsicht genießen. Schon oft habe ich dazu angesetzt, ihnen den Todesstoß zu versetzen und jedes Mal wurde das in letzter Minute vereitelt. Jetzt endlich scheinen mir die alten Helden müde geworden zu sein. Unsere nunmehr zehnjährige, gut geplante Vorgehensweise hat sie geschwächt und ihnen zum Teil sogar den Lebensmut geraubt. Gesteh mir bitte zu, meine Freude zu zeigen, nachdem tatsächlich alles so abgelaufen ist, wie ich es erhoffe. Können wir uns darauf einigen? Ares? Hörst du mir eigentlich zu?“
Ares wischte unkonzentriert auf seinem iPhone herum.
„Ares, Himmel noch mal, was machst du da?“
„Nichts Besonderes. Christo hat mir gerade ein Bild der jungen Frau geschickt, um zu zeigen, wie frei sie sich bewegt. Man kann sie sogar ungehindert fotografieren. Nett, zu wissen, mit wem man es zu tun haben wird.“
Alexandre war aufgestanden und trat hinter seinen Sohn. Das Bild war nicht besonders deutlich, aber immer noch gut genug, um die schöne und fröhliche junge Frau darauf zu erkennen. Lange schwarze Locken kringelten sich um ein lachendes Gesicht, aus dem die schwarzen Augen strahlten. Ihre Blässe ließ sie edel und ein wenig zerbrechlich wirken. „Hm, fast schon schade um sie, aber man kann es ja ein wenig hinauszögern, nicht wahr, mein Sohn? Und jetzt lösch das Foto.“ Der Umstand, dass Ares nicht sofort antwortete, fiel Alexandre nicht einmal mehr auf. Ja, dieses Mal hatte er es richtig geplant, endlich stand er kurz davor, sie spüren zu lassen, was Verlust wirklich hieß. Diese Kleine war nur ein winziges Teilchen des Puzzles und sie würde ihren Platz bestens ausfüllen.
„Los, Ares, der Wagen wartet! Unser Flug geht in etwa einer Stunde. Und sag deinen Leuten, sie sollen nicht zu früh zugreifen. Wir dürfen uns jetzt keinen Fehler erlauben, nicht einen einzigen!“ Ohne Ares’ Antwort abzuwarten, stapfte er aus dem Raum.
Der starrte noch immer auf
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