Kinder der Dunkelheit

Miene wurde schlagartig ernst, als er auf die große Wanduhr blickte. „Mist, schon so spät und noch immer nichts von Luca und Raffaele? Sie haben noch nicht angerufen, oder?“
    Sabine schüttelte den Kopf. „Nein, noch kein Ton aus Tunis. Ich mache mir Sorgen.“
    Angel wuschelte ihr gedankenverloren durch die Haare. „Musst du nicht. Die können prima auf sich selbst achten. Ich schätze, sie sind in einem von Samiras Häusern untergekommen, bis die Nacht anbricht. Samira ist Abdallahs Tochter, sie und Luca sind alte Freunde.“
    „Danke, Angel, erzähl mir noch mehr von seinen ,alten Freu ndinnen‘“, brummelte Sabine ironisch, in der gerade ein wenig Eifersucht hochstieg.
    „Hey, nicht solche Freunde! Richtige Freunde, meine ich. S amira ist seit geschätzten fünfhundert Jahren mit ihrem Gefährten glücklich. Allerdings ist sie tatsächlich trotz ihres hohen Alters eine der schönsten Frauen auf diesem Planeten.“ Während er Abdallahs Tochter beschrieb, bekam Angels Gesicht einen nahezu entrückten Ausdruck.
    Sabine konnte nur staunen. „Gehe ich recht in der Annahme, dass du sie wirklich magst?“
    Angel zuckte ein wenig resignierend die Schultern. „Allerdings, aber wie gesagt: Samira ist zum Ansehen, nicht zum Anfassen, falls du weißt, was ich meine.“
    „Alles klar. Das muss dir schwerfallen, du Casanova.“
    „Du kannst mich gar nicht meinen. Ich bin die Tugendhaftigkeit in Person“, Angel grinste.
    „Schon gut, immerhin schaffst du es wenigstens nicht, bei der Lüge nicht zu lachen.“
    „Touché!“ Angel legte einen Arm um Sabine. „Einmal heißblütiger Spanier, immer heißblütiger Spanier, musst du wissen!“
    „Angel, kann es sein, dass du mich ablenken willst?“
    „Ja, und was ist, gelingt es mir?“
    „Unter anderen Umständen wahrscheinlich perfekt, jetzt gerade aber habe ich doch ein wenig Angst.“ Wie auf Kommando b egann in dem Moment Angels Handy zu lärmen.
    „Highway to Hell, ein anderer Klingelton ist dir nicht eing efallen , was?“ Sabine ließ sich amüsiert auf dem ausladenden Sofa nieder.
    „Nein, ich liebe den Song. Er hat so was ... Reales.“ Angel warf einen Blick auf das Display. „Nanu, das ist doch wohl nicht ...“ Er nahm das Gespräch an und lauschte angestrengt. „Sami! Ist das schön, deine Stimme zu hören! Sind die drei gut gelandet? Ich dachte mir schon, dass sie dir auf die Nerven fallen, bis die Sonne untergegangen ist. Bei euch sonst alles klar?“
    Sabine war rasch klar geworden, dass es sich bei Angels G esprächspartner um niemand anderen als besagte Samira handeln musste. Seine Augen strahlten geradezu vor Freude.
    „Ja, hier ist alles in Ordnung, bis auf diese bildhübsche Blond ine mit den traurigsten Augen der Welt, die sicher gern mit einen Typen namens Luca sprechen möchte. Ja, meine Schöne, wir passen schon auf uns auf. Ihr seid da drüben gerade eher im Fadenkreuz, gebt auf euch acht, versprochen? Mach’s gut, Sami!“ Angel schwieg kurz, dann kicherte er leise ins Telefon. „Sei mir gegrüßt, alter Freund, bei aller Wiedersehensfreude hättet ihr euch ruhig etwas früher melden können. Aber es passt schon, wir haben es uns auf meinem berühmten Sofa gemütlich gemacht. Nicht wahr, corazón?“ Mit diesen Worten reichte er Sabine das Telefon und sie piekte ihm ihren Zeigefinger so fest zwischen die Rippen, dass er tatsächlich lachend zusammenzuckte.
    „Vielen Dank auch“, fauchte sie leise.
    „Kein Thema!“
    Das daraufhin ertönende warme Lachen Lucas ließ sie rasch alles andere vergessen. „Hallo, meine Prinzessin. Es tut mir leid, dass wir uns nicht früher gemeldet haben, aber es dauerte doch eine Weile, bis wir hier waren und dann mussten wir so vieles besprechen. Geht es dir gut, mein Engel?“
    „Ja, alles bestens, ich werde hier von allen total verwöhnt. Ist alles so gelaufen, wie ihr es geplant hattet?“
    „Alles bestens! Saif kam pünktlich mit uns an und wir sind s ofort zu Abdallahs Tochter und ihrer Familie gefahren. Hier sind wir sicher, bis die Sonne untergeht und wir losfahren können. Wir haben geländegängige Jeeps und eine Spitzen-Ausrüstung. Du musst dir also keine Sorgen machen. Sobald wir bei Abdallah sind, werden wir uns, soweit irgendwie möglich, bei euch melden. Ansonsten hält Samira mit euch Kontakt, okay?“
    „Das wird Angel freuen.“
    „Das kann ich mir denken, aber du wirst sie auch mögen, wenn du sie erst kennenlernst. Wenn der ganze Irrsinn hier vorbei ist, dann fliegen