Kinder der Dunkelheit
uns“, erwiderte Raffaele nach kurzer Rücksprache mit dem Fahrer.
„Wie spät ist es jetzt?“
„Sekunde, es ist kurz vor Mitternacht.“
„Oh Mann, noch abgelegener geht’s wohl nicht?“
Raffaele verneinte seufzend. „Abdallahs Residenzen liegen fast alle so weit von den Siedlungen der Menschen entfernt und wenn er doch mal in eine Stadt kommt, dann hält er es nur ein paar Tage dort aus. Warum glaubst du, dass Samira oder Habib immer mit Sack und Pack zu ihm fahren ... gefahren sind.“ Die letzten beiden Worte hatte Raffaele sehr leise hinzugefügt und die Freunde sparten sich jeden Kommentar.
Luca starrte wieder schweigend aus dem Fenster und versuchte, die Umgebung auszumachen, was ein relativ sinnloses Unterfa ngen war, denn jede Düne glich der anderen. Sie durften froh sein, dass die Fahrer den Weg kannten. Viel mehr zu schaffen machte ihm die enorme Unruhe, die sich seit etwa einer halben Stunde seiner bemächtigt hatte. Seine Arme kribbelten, als hätte er an eine Stromleitung gefasst, und er fand es mühsam, die langen Beine stillzuhalten. Ein kurzer Seitenblick auf Saif zeigte ihm, dass es dem Freund offenbar kaum anders erging.
Saif reagierte auf seinen fragenden Blick nur mit einem Schu lterzucken, er konnte sich seine Nervosität ebenso wenig erklären wie Luca. Es war Raffaele, der schließlich die entscheidende Frage aufwarf.
„Ich will ja keine schlafenden Drachen wecken, aber irgende twas ist hier faul. Ihr merkt das doch auch?“
Saif richtete sich in seinem Sitz auf. „Meinst du, er ist hier draußen? Jetzt schon? Das würden wir doch heftiger spüren, was denkst du?“
Raffaele schüttelte heftig den Kopf. „Nein, da ist niemand. Ich suche schon die ganze Zeit die Umgebung ab. Keine lebendige Seele, außer ein paar Wüstentieren.“
Luca legte die flache Hand an die Wagentür und schloss die Augen. Sekunden später rammte er Saif einen Ellbogen in die Seite. „Los, fühl mal! Ist es das, was ich denke? Es wird stärker!“ In dem Augenblick, als Saif eine Hand von innen an das Metall der Tür gelegt hatte, brüllte Luca schon los: „Raus hier, alle aus dem Wagen, jetzt sofort!“
In unglaublicher Schnelligkeit öffneten alle vier Männer die Autotüren und ließen sich bei voller Fahrt aus dem Wagen fallen. Während der Jeep noch weiterfuhr, rannten sie auf das zweite Fahrzeug zu und bedeuteten ihm, sofort abzubremsen.
Luca legte eine Hand an den Wagen, gab aber sofort Entwa rnung. „Der nicht, nur unserer! Sie wussten, dass wir darin sitzen würden!“
Im selben Augenblick erschütterte eine ohrenbetäubende Detonation die Stille der Wüste und der Jeep, in dem sie eben gesessen hatten, war nur noch ein lichterloh brennender Feuerball.
Saif ließ sich in den kalten Sand fallen. „Scheiße, die wissen, dass wir hier sind! Versuchen diese Bastarde doch tatsächlich, uns in die Luft zu jagen!“
„Was ihnen auch beinahe gelungen wäre.“ Raffaele strich sich nachdenklich über sein Piratenbärtchen. „Wären wir es nicht gewesen, dann gäbe es jetzt schon wieder vier Tote. Oder hast du etwas gespürt?“, wandte er sich an den zitternden Fahrer.
„Nein, nicht das Geringste, und ich hatte eigentlich gedacht, ich sei nicht ganz unerfahren nach knapp hundert Jahren.“
„Mach dir keine Vorwürfe, Junge. Wer auch immer das an dem Wagen angebracht hat, war ein Vollprofi. Was mir große Sorgen macht, ist, dass sie ganz offensichtlich wissen, wo Samira und ihre Familie sind. Ansonsten hätten sie auch die beiden Fahrzeuge nicht geortet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jorge die Wagen irgendwo gemietet hat.“
„Wohl kaum, das waren Jeeps aus seinem eigenen Fuhrpark, die standen bis gestern in seiner Garage in Tunis. Dass er die Sprengl adung nicht gefunden hat, beweist, wie meisterlich sie versteckt war. Stell dir vor, sie haben mehrere der Wagen so präpariert…“
Raffaele bezweifelte das dann doch. „Das glaube ich nicht. Wer auch immer das war, musste schnell agieren und durfte auf gar keinen Fall auffallen. Es ging bei diesem Anschlag nur um uns. Ein Versuch, uns auszuschalten, bevor wir irgendwelchen Schaden anrichten können. Ich frage mich allerdings schon, ob wir alle in den zweiten Wagen passen und wie lange wir brauchen, um zu Abdallah zu kommen. Wenn Alexandre oder seine Leute schon hier sind, dann könnte es verdammt eng werden.“
Der zweite Fahrer mischte sich vorsichtig ein. „Wir müssen einfach sehr zusammenrücken, dann geht es schon, die
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