Kinder der Dunkelheit
„Frauending“, wie Jorge es immer nannte, aber sie konnte nun einmal nicht aus ihrer Haut.
Unruhig strich Samira durch das Haus. Das Kind in ihrem Bauch forderte Nahrung, sie spürte, dass sie bald wieder Menschenblut würde trinken müssen, doch auch die Diener sollten sich ausruhen für die Reise, also musste vorerst ein Glas Wasser genügen. Sie schlurfte in die Küche und goss sich einen Becher kühles Mineralwasser ein. In gierigen Schlucken trank sie und spürte, wie gut es ihr tat. Seufzend sah sie an sich hinunter. Mit ihrer Figur war sie prinzipiell eigentlich immer zufrieden gewesen, doch jetzt erinnerte sie sich prompt wieder daran, warum sie ursprünglich kein Kind mehr hatte haben wollen. Die Jeans über ihrem Bauch begann bereits zu spannen. Verflixt, bald ging dann die Zeit der weiten Tuniken wieder los!
„Du denkst jetzt sofort an etwas Schönes, Entspannendes, ist das klar?“, ermahnte sie sich im nächsten Moment selbst. Sie konnte ja immerhin versuchen, ihren Geist etwas zu entspannen. Fest entschlossen, von nun an nur noch an positiven Gedanken zu folgen, ging Samira in den Salon und kuschelte sich auf den weichen, geschwungenen Diwan. Sie schloss die Augen und versuchte, an schöne Dinge zu denken.
Nur wenige Augenblicke später huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. „Luca, verschwinde sofort aus meinem Kopf, so habe ich das nicht gemeint“, murrte sie. Müde rollte sie sich auf die andere Seite und legte einen Arm um das dicke gelbe Seidenkissen. Samira freute sich sehr, dass Luca endlich eine Frau gefunden hatte, die ihn wirklich glücklich machte. Von Anfang an war er ihr wie ein kleiner Bruder gewesen. Hoffentlich brachte er seine Gefährtin bald einmal mit, sie würde sie gern kennenlernen. Wohlig kuschelte sie sich noch tiefer in die Kissen. Ja, das waren gute Gedanken, damit konnte sie leben.
Der Markt quoll über von Leckereien und Sabine wusste nicht so richtig, wohin sie sich zuerst wenden sollte. Bei jeder Boutique, in die sie gegangen waren, hatte sie im Brustton der Überzeugung erklärt: „Ich möchte nur ein wenig schauen, eigentlich brauche ich ja nichts.“ Nur gut, dass Andrea die Besitzerin des letzten Geschäftes kannte und sie all die Tüten mit den bisher erstandenen neuen Kleidungsstücken dort abstellen durfte, um auf dem Markt nun die Hände frei zu haben. Die benötigte sie jetzt auch dringend, denn der Becher mit Papayawürfeln und saftigen Ananas-Stücken samt dazugehörender Plastikgabel, auf den die Entscheidung gefallen war, erwies sich als recht unhandlich. Dafür schmeckte das Obst einfach himmlisch!
Lange bummelten sie über den belebten Markt und Sabine g enoss den Trubel. Die Menschen waren offenbar alle glücklich darüber, dass es wieder wärmer wurde und dass die kalte und in Venedig meist sehr feuchte Jahreszeit endlich vorbei zu sein schien. Wohin Sabine auch sah, überall waren fröhliche und lächelnde Gesichter. Eines davon war ganz besonders reizend.
„Sabine!“ Die alte Dame bahnte sich ihren Weg durch die U mstehenden, ohne Rücksicht auf Verluste.
„Sigñora Martin, wie wunderbar, Sie wiederzusehen! Wie geht es Ihnen denn?“
Die alte Dame war jetzt bei ihr angelangt und schloss sie sofort in die Arme. „Mir geht es wunderbar, langweilig ist mir daheim, da ich jetzt gerade keine Gäste habe, aber sonst ist alles in Ordnung .“ Sie wandte sich an Andrea, der stillschweigend danebenstand und Sigñora Martin jetzt höflichst begrüßte.
„Moment mal, Sie haben sich aber ganz schön verändert seit dem letzten Mal.“ Die Sigñora hatte die Stirn in Falten gelegt und musterte Andrea nachdenklich.
Als das Missverständnis schließlich aufgeklärt war, blickte die Sigñora den Butler beeindruckt an. „Also, nur für den Fall, dass Sie mal eine neue Stelle brauchen, junger Mann, dann wüsste ich da etwas für Sie.“
Andrea verbeugte sich leicht und gab lächelnd zurück, dass er sich das gern merken würde. Die Sigñora war allerdings geistig schon einen Schritt weiter.
„Sabine, mein Mädchen, erinnerst du dich noch an das kleine Café und die heiße Schokolade? Das ist hier ganz in der Nähe. Na komm, wir wollen uns nach so vielen Jahren wieder einmal diese kleine Sünde gönnen, was meinst du?“
Sabine sah besorgt zu Andrea, der von der Idee sichtlich nicht so begeistert war. Ehe sie etwas sagen konnte, kam ihr Sigñora Martin auch schon zuvor. „Na kommen Sie, Andrea, Sie werden mir doch meine liebe Freundin nicht
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