Kinder der Dunkelheit
werden sowieso bald wieder hier sein, die Zeit vergeht schnell und es sieht nach einem wundervollen Sonnenaufgang aus.“
Leises Klopfen kündigte eine der Dienerinnen an. „Die Herrin schläft jetzt, sie war doch sehr erschöpft, aber ich soll bestellen, dass es hier wunderschön ist.“
„Das stimmt allerdings.“ Abdallah ließ seinen Blick mit Wohlgefallen über die stilvolle Einrichtung und die in warmen Farben gestalteten Wände des herrlich renovierten Schlosses wandern. „Ich gebe es ja nicht gern zu, aber es ist traumhaft schön geworden.“
„ Das sagte ich doch. Und es ist leicht zu verteidigen und die Umgebung ist perfekt zu überblicken. Hier könnt ihr zur Ruhe kommen, während wir uns um Samira und die anderen kümmern.“ Raffaele wollte fortfahren, doch etwas in Abdallahs Blick ließ ihn innehalten. „Mein alter Freund, ich kenne dich lange genug, um zu wissen, dass dir noch etwas auf dem Herzen liegt. Da ist etwas, das du vor mir zu verbergen suchst. Was sollte ich wissen?“
Abdallah sah ihn nachdenklich und schweigend an, erst nach einigen langen Augenblicken erhob er sich und trat auf Raffaele zu. „Du erinnerst dich an meine Erzählung über die Nacht, als uns der Bote die Nachricht von Xerxes’ Tod überbrachte? Ich habe dir nicht alles erzählt, denn ich wusste nie, wann der richtige Zeitpunkt sein würde. Unser sterbender Großfürst hatte, wie du ja weißt, seinem Diener aufgetragen, aus seiner Festung, denn nichts anderes waren Xerxes’ Domizile, eine Schriftrolle zu holen und sie mir zu überbringen. In dieser Schriftrolle waren zwei uralte Dokumente und eines davon ist nur für dich bestimmt. Allerdings weiß ich, was du daraus erfahren wirst, und ich bin mir nicht sicher, wie du es aufzunehmen vermagst. Du wirst Kraft benötigen, um das was sich dir daraus erschließt, zu bewältigen, daher entscheide weise, mein Freund, ob du das Dokument jetzt haben und seinen Inhalt erfahren möchtest oder ob du es erst lesen möchtest, wenn alles vorbei ist. Das aber muss ich in deine Hände legen. Zu lange habe ich es schon mit mir herumgetragen. Ich hole es jetzt und du stillst in der Zeit deinen Hunger, unserer Dienerin wird es eine Ehre sein, nicht wahr, mein Kind?“
Die Dienerin, die nur die letzten Worte mit angehört hatte, da Abdallah diese etwas lauter gesprochen hatte, knickste ergeben und nickte so heftig, dass Raffaele trotz der Anspannung, die ihn plötzlich überfallen hatte, lächeln musste. „Ich danke dir, ich bin tatsächlich sehr durstig, selbst wenn derzeit mein Hunger hinter meiner Neugier zurücksteht.“
Abdallah schmunzelte vielsagend. „Das wird dir nicht viel helfen, denn es könnte eine Weile dauern, bis ich alter Mann das Dokument geholt habe.“
Nun lachte Raffaele endgültig, was angesichts der noch immer überwältigenden Schönheit des Fürsten nicht weiter verwunde rlich war. „Armer alter Mann, du hast mein ganzes Mitleid.“
„Spotte du nicht, trink lieber, sonst überlege ich mir mein A ngebot eventuell noch einmal.“
„Das lass mal schön bleiben, dieses bezaubernde Wesen lasse ich doch nicht so einfach wieder gehen.“ Die Dienerin errötete bei den letzten Worten Raffaeles heftig und Abdallah verließ mit einem leise gemurmelten: „Lasst euch Zeit!“ gemächlichen Schrittes den Raum.
37.
Wann hatte sie sich zum letzten Mal so hundsmiserabel gefühlt? Es war schon ziemlich lange her, dessen war sich Sabine absolut sicher. Das Letzte, woran sie sich erinnern konnte, war, dass sie einen stechenden Schmerz im Oberarm fühlte, kurz nachdem man sie so grob in den Fond des Taxis gestoßen hatte. Dass sie betäubt wurde, war ihr in dem Augenblick klar, als sie den G eschmack von Knoblauch auf der Zunge spürte, ein Indiz dafür, dass die Betäubung einsetzte, wie sie wusste.
Jetzt lag sie verknotet wie ein Paket zum Versand im Fußraum eines Fahrzeuges. In ihrem Mund steckte ein Knebel und ihre Handgelenke waren mit klebrigem Plastikband zusammengezurrt. Von dem Geruckel im Auto, wohl auch von den Nachwehen der Narkose, war ihr speiübel, doch sie kämpfte, so gut es ging, gegen die Übelkeit an. Nicht auszudenken, wenn sie sich in dieser Lage übergeben müsste! Es konnte durchaus passieren, dass ihre Entführer es gar nicht mitbekämen und sie hier jämmerlich erstickte. Eigentlich hatte sie nicht geplant, das Schicksal ihres einstigen AC/DC-Lieblingssängers zu teilen, so zu enden wie Bon Scott, hatte nie auf ihrer Wunschliste
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