Kinder der Dunkelheit
wenn ihr alle im Tunnel seid. Man darf den Lichtschein von der Burg aus nicht sehen, er würde euch sofort verraten! Lauft lieber ein paar Meter im Dunklen, als alles zu gefährden. Habt ihr mich alle verstanden? Auch du, Selda?“
Die nickte nur unter Tränen. Seit Stunden versuchte sie, tapfer und vernünftig zu sein, leider versagte sie kläglich. Immer wieder liefen ihr die Tränen über die Wangen, ständig krampfte sich ihr Herz zu einem glühenden Klumpen aus Angst zusammen. Noch nie in ihrem Leben war sie so verzweifelt gewesen.
„Dann lasst uns jetzt loslaufen! Ihr folgt mir, ohne euch umzusehen. Beißt die Zähne zusammen, auch wenn ihr noch Schmerzen habt, es darf kein Laut über eure Lippen kommen. Schafft ihr das? Samira, wird es gehen?“
„Ja, Ares, das wird es. Wenn du dein Leben für uns aufs Spiel setzt, dann werden wir es wohl schaffen, in diesen Tunnel zu verschwinden. Eins noch! Ares, bitte versprich, dass du alles tust, um heil hier herauszukommen. Du bist ein wunderbarer Mann und du hast so viel für uns getan, dich in Gefahr zu wissen, ist für uns alle qualvoll. Du bist uns wirklich wichtig!“
Ares drückte Audrey die Leuchte in die Hand, sah ein letztes Mal die sechs wunderschönen Frauen an und sagte dann sehr leise: „Ihr seid mir auch wichtig. Mehr, als ihr ahnen könnt. Und jetzt lauft!“
5 5.
„Herr, ich bedaure sehr, Euch behelligen zu müssen, doch ich denke, Ihr solltet mit mir kommen.“
Wutschnaubend wandte Alexandre sich dem abendlichen Besucher zu. „Was in aller Welt willst du hier? Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendetwas wichtiger sein sollte als das, was ich hier zu sehen bekomme.“ Er rollte ein wenig mit seinem Sessel beiseite und gab den Blick auf einen riesigen Monitor frei. Deutlich zeigte die unauffällig an einem Baum befestigte Kamera zahlreiche große Männer, die hinter Felsen und Baumstämmen Deckung suchend die Burg unablässig im Visier hatten. „Siehst du das? Weißt du, was das bedeutet? Sie sind hier! Sie servieren sich quasi selbst auf einem Silbertablett. Ich muss mich weder beeilen noch mich in irgendeiner Form sorgen. Du ahnst nicht, was das für ein Gefühl ist. Nach so langer Zeit habe ich ihre sagenhaften Hüter allesamt vor mir und sie wissen nicht, was sie erwartet. Sie sind verunsichert, da wir ihre wertvollen Töchter haben, deren Tod sie nicht riskieren werden.“ Alexandre lachte laut auf. „Fast könnten sie einem leidtun. So unbesiegbar und gleichzeitig so hilflos, ist das nicht herrlich?“ Seine Stimme troff vor beißendem Spott.
„Herr, das ist es, was ich euch leider sagen muss. Bitte verzeiht, dass ausgerechnet ich der Überbringer dieser Botschaft sein muss, doch Ihr wisst, dass ich euch treu bis in den Tod ergeben bin. Bitte hört mich an.“
Alexandre hatte sich dem Störenfried jetzt ganz zugewandt und ein gefährlich lauernder Ausdruck war in seine Augen getreten.
„Christo, verdammt, mach den Mund auf und rede! Was ist hier los?“
56.
Schnell und geräuschlos eilten sie im Schutz des Säulenganges um den Hof und zur Burgmauer. Keine von ihnen hätte das Tor allein gefunden. Sie sahen es erst, als Ares den wilden Wein beiseitezog und ihnen den Weg wies. In einer Hand sein Schwert haltend, schob er mit der anderen die Frauen eine nach der anderen in den Tunnel. Er ahnte es, doch verhindern konnte er es nicht. Selda, beinahe schon im Tunnel, blieb stehen und warf ihre Arme um seinen Hals.
„Nein, Selda, bitte nicht! Lauf, du gefährdest euch alle, bitte lauf! Lass mich los!“ Ares zerrte mit aller Macht Seldas Arme von seinem Hals und es war die bedachte Luisa, die Seldas Handg elenk umklammerte und sie mit aller ihr zur Verfügung stehenden Kraft, ohne Rücksicht auf Dornen oder Dreck in den Tunnel zog und sie rücksichtslos weiter vorantrieb.
Seldas leises Weinen brach Ares schier das Herz, doch er konnte sich jetzt keine Schwächen leisten. Kaum war Sabine im Tunnel verschwunden, zog er das Portal zurück ins Schloss und begann, die Weinranken erneut davor zu drapieren.
Er hatte ihn nicht kommen hören, die Gefahr nicht einmal ansatzweise gefühlt. Sein Vater war ihm weit überlegen, das stand schon immer außer Frage. In dieser Sekunde aber war Ares klar, dass es seinen Tod bedeuten würde.
„Ein dreckiger, mieser Verräter, ein Kollaborateur! Mein einz iger Sohn verkauft mich an meine Todfeinde. Das wirst du büßen.“
Ares wusste in dem Augenblick, als Alexandre diese Worte
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