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Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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jahrhundertelang leben können?«
    Kate leckte sich die Lippen. »Warum haben du und Popescu Joshua aus dem Waisenhaus in Tîrgovişte abgeholt? Warum hast du mich mit ihm zusammengebracht und die Fäden gezogen, damit ich ihn adoptiere?«
    Lucian seufzte. Seine Stimme klang müde. »Sie kennen die Antwort darauf, Kate. Sie haben unsere medizinische Ausrüstung in diesem Land gesehen. Wir wissen, daß die Krankheit der Strigoi Ähnlichkeit mit dem HIV-Virus aufweist. Wir wissen, daß der Retrovirus der Strigoi über erstaunliche Fähigkeiten verfügt. Aber eine gründliche Gentherapie liegt in diesem Land nicht im Bereich des Machbaren. Mein Gott, Kate, Sie haben unsere Toiletten gesehen ... glauben Sie wirklich, daß wir imstande wären, ein effektives Labor der Klasse IV zu bauen und zu unterhalten?«
    »Wer ist ›wir‹?« wiederholte O'Rourke. »Was ist dieser ›Orden‹?«
    Lucian sah den Priester an. »Der Orden des Drachen.«
    Kate hörte, wie sie selbst heftig Luft holte. »Davon habe ich gelesen. Vlad der Pfähler hat ihm angehört ...«
    »Er hat ihn besudelt«, schnappte Lucian, dessen Stimme zum ersten Mal in dieser Nacht wütend klang. »Vlad Dracul und sein Bastard von einem Sohn haben auf alles gespuckt, wofür der Orden eintrat ... eintritt.«
    »Und wofür tritt er ein?« fragte O'Rourke.
    Lucian sprang so schnell auf die Füße, daß Kate dachte, er würde sie und O'Rourke angreifen. Statt dessen riß der junge Mann die Knöpfe seines Hemdes auf und entblößte die Brust.
    Dort funkelte ein goldenes Amulett: ein Drache, Klauen ausgestreckt, den Leib zu einem Ring geformt, den Schuppenring um ein doppeltes Kreuz geschlungen. Das Amulett war sehr alt, die Worte, die daraufstanden, fast wegerodiert. »Los doch«, sagte Lucian zu O'Rourke. »Sie können doch Lateinisch lesen.«
    »›O wie barmherzig ist Gott!‹« las O'Rourke und beugte sich näher hin. »Und: ›Gerecht und Gottesfürchtig‹.« Er wich zurück. »Fragt sich nur: Gerecht und gottesfürchtig gegen wen?«
    »Gegen Jesus Christus, der durch Vlad Dracul und dessen Brut geschmäht wurde«, sagte Lucian. Er knöpfte den einzigen verbliebenen Knopf seines Hemdes zu. »Gegen die Menschen, zu deren Schutz der Orden ins Leben gerufen wurde.«
    »Schutz durch das Entführen von Babys«, sagte Kate, deren Stimme vor Sarkasmus triefte.
    Lucian wirbelte zu ihr herum. »Ja! Wenn dieses Baby der nächste Fürst der Voivoda Strigoi ist.«
    Kate fing an zu lachen. Sie wich zurück, bis sie den Holzstuhl an den Beinen spürte, und ließ sich immer noch lachend darauf fallen. Sie hörte erst auf, als sich das Gelächter wie Schluchzen anhörte. »Du hast Draculas Kind entführt, damit ich es adoptieren konnte ...«
    »Ja.« Lucian strich sich mit beiden Händen das Haar glatt. Seine Hände zitterten leicht. Er nickte O'Rourke zu. »Fragen Sie ihn, Kate. Er weiß mehr, als er Ihnen erzählt hat.«
    Sie sah den Priester an.
    »Die Franziskaner hören schon seit Jahrhunderten Gerüchte über die Strigoi«, sagte O'Rourke. »Und über den Orden des Drachen.«
    »Woher sollen wir wissen, daß du nicht einer der Strigoi bist?« fragte Kate, die den jungen Medizinstudenten nicht aus den Augen ließ.
    Lucian überlegte. »Haben Sie John Carpenters Remake von Howard Hawks' Das Ding aus einer anderen Welt gesehen?«
    »Nein.«
    »Scheiße«, sagte Lucian. »Ich meine, ist nicht so wichtig. Wie auch immer ... sie finden in dem Film heraus, wer ein Mensch ist, indem sie das Blut testen. Ich würde Ihnen beiden gerne etwas abgeben, wenn Sie es versuchen wollen.«
    O'Rourke zog eine Braue hoch. »Sie meinen es ernst, richtig?«
    »Da haben Sie verdammt recht, ich meine es ernst, Priester. Ich kann mich für Kate verbürgen, aber was Sie betrifft, bin ich mir nicht so sicher.«
    »Was würde ein Test beweisen?« sagte Kate. »Selbst wenn du den Retrovirus nicht hast, könntest du für die ... Strigoi arbeiten.«
    Lucian nickte. »Klar. Aber Sie wüßten dann immerhin, daß ich keiner von ihnen bin.«
    Kate seufzte und rieb sich das Gesicht. »Ich glaube, ich verliere den Verstand«, sagte sie. Sie sah Lucian blinzelnd an. »Was sollte das heute abend mit Amaddi ... ein ausgekochter Schwindel?«
    »Nein«, sagt Lucian. »Mein Vater und andere Mitglieder des Ordens wissen schon lange von Amaddis Kontakten zur Nomenklatura der Strigoi. Aber keiner von uns konnte ihn darauf ansprechen.«
    »Du hast Geschäfte mit ihm gemacht.«
    »Um sein Vertrauen zu

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