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Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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O'Rourke richtig. »Bei wem? Wo? Wir sind auf uns allein gestellt, Kate.«
    Sie brachte ein Lächeln zustande. »Ich weiß, aber ich warte immer noch darauf, daß die Kavallerie über den Hügel geprescht kommt.«
    »Laß mir eine Minute Zeit«, sagte O'Rourke. Erholte mehrmals tief Luft, schwang die Arme ein paarmal hin und her und beugte sich über die trockene Zisterne. Es waren nur zweieinhalb bis drei Meter bis zum Boden, und es befanden sich Lücken und Stufen in dem lockeren Mauerwerk. »Halt das Licht ruhig ... gut, so ... Pater Danielescu hat gesagt, daß sich dort der Eingang befindet.«
    Kate sah nur Mauerwerk und vertrocknete Kletterpflanzen.
    »Halt sie still, bis ich einen Weg in den alten Abwasserkanal gefunden habe«, sagte O'Rourke. »Dann reichst du die Lampe herunter und folgst mir.« Er kletterte über die Mauer und tastete sich bis auf den Grund. Einmal fiel ein Stein polternd auf den abfallübersäten Boden der Zisterne, aber O'Rourke gelangte mühelos hinunter. Kate richtete den Lichtstrahl auf die Wand, während er die Steine abtastete, ein Taschenmesser zu Hilfe nahm und an einem zog, bis dieser sich löste. Die anderen ließen sich mühelos entfernen.
    »Licht«, sagte er, stand auf und streckte die Arme hoch.
    Kate warf ihm die Taschenlampe hinunter. Er hielt den Lichtstrahl auf Fußstützen, während sie herunterkletterte. Dann duckten sie sich und spähten in die Öffnung.
    »Bäh«, sagte Kate und ballte die Fäuste. Sie hatte das Funkeln von Rattenaugen gesehen, und jetzt konnte sie das Scharren ihrer Krallen hören, als sie vor dem Licht flohen. Der Lichtstrahl der Taschenlampe fiel auf ihre öligen schwarzen Rücken. Der Abwasserkanal - wenn es einer war - maß nur einen Meter im Durchmesser und wurde wenige Meter weiter drinnen, wo die Rattenaugen sie angefunkelt hatten, noch schmaler.
    »Wie können wir da reingehen?« flüsterte Kate.
    O'Rourke beugte sich näher zu ihr. »Die gute Nachricht ist: ich möchte wetten, daß sich kein einziger Nordvietnamese da drinnen aufhält. Ich gehe als erster.« Er fand einen kräftigen Ast auf dem Boden der Zisterne und nahm ihn in die rechte Hand; die Taschenlampe hielt er in der linken. Als er seine Schultern in den Eingang zwängte, verbarg sein Körper das Licht.
    Kate schloß die Augen und dachte an Joshua.
    »Breit genug«, hörte sie O'Rourkes gepreßtes Flüstern. »Pater Danielescu hat gesagt, daß die Leitung ganz durch führt, und ich glaube, er hat recht. Komm, ich halte das Licht.«
    Kate versuchte die Entfernung abzuschätzen, die sie kriechen mußten. Die Länge eines Footballplatzes? Zwei Drittel dieser Strecke? Auf jeden Fall war sie endlos. Der uralte Tunnel konnte einstürzen, und keiner würde je erfahren, daß sie hier waren. Die Ratten würden ihre Augen fressen. Es war Wahnsinn.
    »Ich komme«, flüsterte sie und kroch in die Öffnung.
     
    Abgesehen vom Schrecken des Feuers und dem Tod von Tom und Julie war der hundert Meter lange Tunnel das schrecklichste und gräßlichste Erlebnis in Kates Leben. Sie konnte O'Rourke keuchen hören, konnte das Zittern unterdrückter Panik in seinem Körper sehen, dessen Silhouette sich im Licht der Taschenlampe vor ihr abzeichnete, aber der Rest war nur scharfkantiges Felsgestein, Schlamm, wuselnde Ratten und Dunkelheit, die nur noch verschlimmert wurde durch das zunehmende Gefühl von Klaustrophobie, als der schmale Durchgang noch schmaler und jede enge Biegung noch enger wurden. Ab und zu hielt O'Rourke inne, dann umklammerte sie sein Bein oder hielt seine Hand, wenn der Tunnel breit genug war, daß sie ihren Arm vorstrecken konnte, aber sie sprachen kaum, und der Rhythmus ihres Keuchens wurde immer verzweifelter, je weiter sie in die Dunkelheit krochen.
    »Was ist mit schlechter Luft?« flüsterte sie, als sie sich durch eine besonders enge Stelle gezwängt hatten, wo die Tunnelwand eingestürzt war. Sie hatten sich zwischen Schlamm und Wurzeln durchgequetscht, und Kate konnte sich nicht vorstellen, daß sie es noch einmal durch dieses Nadelöhr zurück schaffen würde. Allein bei dem Gedanken blieb ihr die Luft weg, und sie atmete in kurzen, abgehackten Zügen.
    »Die Ratten leben hier«, keuchte O'Rourke. Kate konnte hören, wie sie vor ihm wuselten und in Seitenröhren verschwanden, die nicht breiter als ihre Schenkel waren. »Wenn sie atmen können, dann können wir es wohl auch.«
    »War dein Priesterfreund sicher, daß der Durchgang passierbar ist?«
    O'Rourke hörte auf zu

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