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Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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haben, mit den vielen einsamen Frauen in der Gemeinde. Oder den einsamen jungen Freiwilligen und Mädchen des Friedenskorps in den Ländern der dritten Welt.«
    »Gott ... verdammt«, hauchte O'Rourke. Er zog das Bein von ihr weg. Sie konnte hören, wie er den Arm hob, als würde er die Faust ballen. »Nein«, sagte er mit etwas festerer Stimme, »das ist keine Angewohnheit von mir. Ich war nicht mehr mit jemand intim seit ... seit ich in Vietnam in Stücke gerissen wurde. Ich war kein guter Priester, Kate ... aber ein aufrichtiger.«
    »Das weiß ich«, flüsterte sie mit leiser Stimme. Sie tastete nach seiner Hand, zog sie nach unten, robbte in der Dunkelheit nach vorne und küßte sie.
    Sein Atem ging jetzt immer noch schnell, aber regelmäßiger. Sie konnte spüren, wie das Zittern wie langsames Nachbeben aus seinem Körper verschwand. Kate rieb die Wange an seiner offenen Handfläche.
    »Tut mir leid«, sagte der Priester. »Jetzt weiß ich, was du vorhattest. Danke.«
    Kate küßte seine Finger. »Mike, wir sind fast da. Gehen wir weiter.« Etwas strich an ihrem Bein entlang, und sie hörte eine Ratte in einen Tunnel flitzen. Sie hoffte, daß es nur eine Ratte war.
    O'Rourke versuchte sein Glück noch einmal mit der Taschenlampe, gab auf, steckte sie in den Gürtel, drehte sich auf den Bauch und robbte weiter. Kate folgte ihm und hielt den Kopf hoch und die Augen offen, um nach Licht Ausschau zu halten, obwohl ihr ständig Sand in Haare und Augen fiel.
    Einige Zeit später sahen sie es - es konnten nur Minuten gewesen sein, aber keiner hatte eine Uhr mit Leuchtzifferblatt, und ihr Zeitgefühl war aus den Fugen. In einem normal dunklen Raum wäre der Lichtstrahl überhaupt nicht zu sehen gewesen, aber für ihre an die absolute Dunkelheit angepaßten Augen war er wie ein Fanal. Sie krochen die letzten Meter vorwärts und sahen zu dem Gitter in der Tunneldecke hinauf. Hier war das Abwasserrohr breiter, daher konnte Kate fast neben O'Rourke robben. Sie lagen auf dem Rücken und griffen zu dem Gitter hinauf, das sich als Umriß abzeichnete.
    »Ein Eisengitter«, flüsterte O'Rourke. »Das müssen sie eingesetzt haben, seit Pater Chirica vor Jahren hier durchgekrochen ist. Wahrscheinlich, um die Ratten abzuhalten.« Er streckte die Finger durch das schwere Gitter und zog. Kate konnte seine Zähne knirschen hören und nahm seinen Schweißgeruch wahr. Das Gitter gab nicht nach.
    O'Rourke nahm die Hände mit einem Stöhnen weg. Kate spürte Panik, die sie zu überwältigen drohte, eine nackte Angst, die ihr wie Übelkeit im Hals emporstieg. Sie war überzeugt, daß sie den Weg durch den langen Tunnel zurück nicht überstehen würde. »Gibt es einen anderen Eingang?« flüsterte sie.
    »Nein. Nur den zum Keller dieser Kirche. Er gehörte einmal zu Vlad Ţepeşs Palast ... es gab unterirdische Verliese und Durchgänge ...« O'Rourke fauchte und bearbeitete das Gitter wieder mit den Händen. Rostflocken fielen wie Schnee herunter, aber das Gitter bewegte sich nicht.
    »Hier«, flüsterte Kate und griff nach dem Gitter. »Drücken wir statt zu ziehen.« Sie stemmten die Handballen gegen das Gitter und drückten, bis ihnen die Arme weh taten. Dann lagen sie keuchend da, während das Wuseln im Tunnel näher kam.
    »Es muß einbetoniert sein«, flüsterte O'Rourke, der am Rand entlangtastete. »Und es dürfte kaum breit genug für unsere Schultern sein. Meine jedenfalls.«
    Kate versuchte, ihren keuchenden Atem zu verlangsamen. »Das spielt keine Rolle«, sagte sie. »Wir gehen da durch.« Sie wandte das Gesicht dem Gitter zu. Der Raum darüber war feucht und roch nach nassem Stein, aber die Luft da oben war unendlich frischer. »Das Metall ist alt und rostig«, flüsterte sie. »Und die Stäbe sind nicht besonders dick.«
    »Sie müssen auch nicht dick sein.« O'Rourkes Stimme klang tonlos. Sie konnte einen blassen Schimmer erkennen, wo sein Gesicht war.
    »Eisen rostet wie verrückt«, zischte Kate. »Komm, nimm die Beine hoch ... so ... die Knie dagegen. Ja, verschieb den Körper so wie ich meinen, damit das ganze Gewicht auf dem Rücken liegt. Okay, auf drei drücken wir, bis entweder das Gitter kaputtgeht oder wir.«
    O'Rourke begab sich grunzend in Position. »Einen Augenblick«, flüsterte er. Er murmelte fast unhörbar etwas.
    »Was ist das?« fragte Kate. Ihr Rücken tat schon weh.
    »Ein Gebet«, sagte O'Rourke. »Gut, ich bin soweit. Eins ... zwei ... drei.«
    Kate drückte und krümmte sich, bis sie Muskeln

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