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Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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heute nacht zu besuchen«, brüllte Radu Fortuna. »Ja?« Kate antwortete nicht, da setzte er den Kopfhörer wieder auf und sagte etwas zu dem Piloten.
    Sie flogen über die Altstadt auf dem Berg hinweg, deren Türme, rote Ziegeldächer, schmale Gassen und steile Treppen größer und damit lebensechter wurden. Kate sah, daß das Areal von Sighişoara innerhalb der sicheren Stadtmauern angelegt war, und obwohl Stufen und einige wenige kurvenreiche Straßen es mit dem größeren Ort weiter unten verbanden, blieben Mauer und Altstadt weitgehend intakt. Sie flogen über die Stadtmauer, wichen haarscharf einem Turm mit großer Uhr aus, bremsten so heftig, daß Kate beinahe aus dem Sitz geschleudert worden wäre, und landeten sanft, hoben noch einmal kurz ab und setzten dann mit einem Ruck auf, als hätte die Maschine die Fähigkeit zu fliegen verloren. Der Pilot legte Schalter um, während Lucian und Radu Fortuna aus der Maschine ausstiegen und geduckt davonliefen. Der zweite Helikopter, die seltsame schwarze Maschine mit dem kuppelförmigen Cockpit, summte wütend über ihnen vorbei und verschwand hinter dem Turm.
    Der Strigoi in der Mitte stieß Kate hinaus, dann O'Rourke. Kate wäre fast gestolpert und Gesicht voraus auf dem scharfkantigen Kopfsteinpflaster gelandet, aber die kräftigen Hände des Mannes packten sie grob am Oberarm und zogen sie hoch.
    Sie waren auf einer Rasenfläche in der Nähe der Festungsmauer gelandet, einem kleinen Flecken mit Blick auf die Mauer der Altstadt, von der man Ausblick auf die Neustadt weiter unten, einen Fluß und die bewaldeten Berghänge jenseits des Tals hatte. Hinter ihnen erstreckten sich die Wohnhäuser des uralten Sighişoara mit ihren spitzgiebligen Dächern den Hang hinauf. Kate sah einen Kirchturm zwischen den Bäumen über ihnen. Sie versuchte, alles zu sehen, sich sofort zu orientieren, damit sie, falls sie fliehen konnte, gleich wußte, welchen Weg sie einschlagen mußte.
    Sie wußte nicht, welchen Weg sie einschlagen mußte.
    Lucian machte einen Schritt in ihre Richtung, als wollte er etwas sagen. Wäre er näher gekommen, hätte sie ihn getreten, aber er blieb stehen und zögerte, dann machte er kehrt, ging zu einem wartenden Auto und sprach dort mit einem dunkelhäutigen Mann. Radu Fortuna kam zu ihr, bemerkte Richtung und Intensität ihres Blickes und sagte: »Sie glauben, daß Ihr Freund Mitglied unserer Familie ist, hm? Nein, nein, nein.« Er schüttelte den Kopf und ließ sein breites Grinsen sehen. »Der junge Student arbeitet für Geld, wie so viele in unserem Land. Er hat seinen Zweck erfüllt.«
    Fortuna schnippte mit den Fingern, worauf der dunkelhäutige Mann Lucian ein dickes Bündel Banknoten gab.
    Er hat mich und Joshua für Lei verkauft, dachte Kate. Ihr war übel.
    Das wartende Auto war weder ein Dacia noch ein Mercedes, sondern ein deutscher Mittelklassewagen. Lucian nahm das Geld, setzte sich auf den Rücksitz und sah nicht noch einmal her, während der Chauffeur den Motor anließ und durch den Torbogen hinausfuhr.
    »Kommen Sie«, sagte Radu Fortuna. Inzwischen hatten sich mehrere der schwarzgekleideten Wachen auf dem Gelände versammelt; diese nahmen Kate und O'Rourke an den Armen und führten sie dem zügig ausschreitenden Fortuna hinterher.
    Sie kamen aus dem rechteckigen Gelände in ein kleineres offenes Areal, einer Art Parknische, und schritten dann nur etwa dreißig Meter einen Kopfsteinpflasterweg am Hang hinab bis zu dem gewaltigen Turm, den Kate aus der Luft gesehen hatte. Die Zeiger auf dem Zifferblatt zwanzig Meter über ihnen standen still.
    Fortuna führte sie an der kleinen Haupttür mit dem winzigen Schild MUSEUM vorbei einige Steintreppen hinab, durch eine dicke Tür, die geöffnet wurde, als er darauf zuging, durch eine schmalere zweite Tür, noch eine Flucht ausgetretener Steinstufen hinunter und in einen Keller, der nur von zwei schmucklosen 20-Watt-Birnen erhellt wurde.
    »Ion!« schnappte Fortuna.
    Der Eindringling - Er und seine Männer haben Tom und Julie getötet! Er hat mich von einer Felswand geworfen! - kam nach vorn und hob eine schwere eisenbeschlagene Falltür aus Holz, die in den Fliesenboden eingelassen war. Die Öffnung war ein Rechteck, das in völlige Schwärze führte.
    Radu Fortuna lächelte und winkte Kate. »Kommen Sie, kommen Sie. Sie haben eine weite Reise auf sich genommen, um in den Genuß unserer Gastfreundschaft zu kommen. Jetzt genießen Sie sie auch.« Er nickte, worauf die Wachen sie vorwärts

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