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Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Gänsehaut bekam. »Ratten.« Sie und O'Rourke drängten sich dichter aneinander, preßten die Rücken zusammen und zogen die Beine an. Linkisch, fast ohne Gefühl in den Fingern, weil der Blutkreislauf unterbrochen wurde, griffen sie zwischen sich und hielten einander in der Dunkelheit die Hände.
     
    Zeit wurde unmeßbar, abgesehen von einem zunehmenden Druck in Kates Blase. Sie döste halb ein, spürte O'Rourke, der in seinem eigenen Zustand dumpfer Erschöpfung gegen sie sank, und erwachte erst, als der Drang zu urinieren stärker wurde. Sie machte die Augen zu und betete ganz allgemein, daß jemand kommen und sie herauslassen würde, bevor sie sich den Rock naß machen oder versuchen mußte, in eine Ecke zu kriechen und sich die Unterwäsche herunterzuziehen.
    Die Dunkelheit war so umfassend, daß keinerlei Einzelheiten zu erkennen waren, aber sie hatten sich soweit bewegt, um zu wissen, daß es sich bei der Grube um nichts weiter handelte als eben um eine Grube, etwa drei mal drei Meter lang. Es schien kein Stroh zu geben, keine Ketten mit Handschellen und baumelnden Skeletten an den Wänden und, soweit sie das nach Streckbewegungen mit den Beinen beurteilen konnten, nur kalten, nassen Stein und ab und zu wuselnde Ratten in den Ecken. Ich hoffe, daß es nur Ratten sind.
    Schließlich konnte sie es nicht mehr aushalten und flüsterte O'Rourke zu: »Entschuldige mich.« Sie kroch in die Ecke, wo die wenigsten Geräusche von Rattenkrallen auf Stein zu hören gewesen waren, kauerte sich hin, schaffte es, den Rock hoch- und die Unterhose hinunterzuziehen, und urinierte. Das Wasser schien überlaut auf den Steinboden zu plätschern.
    »Scheint kein Toilettenpapier da zu sein«, sagte sie laut.
    O'Rourke kicherte in der Dunkelheit. »Ich rufe die Hausverwaltung an.«
    Kate schaffte es, alles wieder zurechtzuziehen, kroch auf Knien zur Mitte der Grube zurück und fühlte sich feucht, unwohl, ein bißchen verlegen und grenzenlos erleichtert.
    Sie lehnte sich an O'Rourke und legte den Kopf auf seine Schulter. »Etwas wird geschehen«, flüsterte sie.
    »Ja.« Er küßte sie auf die Wange, sie spürte das angenehme Kratzen seines Barts. Wenn sie sich genau richtig an ihn kuschelte, konnte sie seinen Herzschlag spüren.
     
    Kate war gerade eingedöst, als die Falltür mit einem Lärm aufgerissen wurde, bei dem ihr das Herz stehenblieb. Sie schrak aus einem Traum auf.
    O Gott, es stimmt wirklich.
    Das trübe Licht der 20-Watt-Birne war grell wie die Sonne in ihren schmerzenden, ungeschützten Augen. Kate sah durch Tränen die Silhouette des Mannes namens Ion.
    »Du sollst dich von dem anderen verabschieden«, sagte Ion in Englisch mit starkem Akzent. »Ihr sehr euch nicht mehr wieder.«
    Zwei Männer kamen und schleppten O'Rourke nach oben und weg.
    Kate schrie und stand auf, schrie sie an, verwünschte sie, versuchte, nicht zu weinen, und weinte trotzdem. Zwei Männer in Schwarz kamen die steile Treppe herunter, und sie trat nach ihnen. Einer trat zurück; seine derben Stiefel jagten Schockwellen des Schmerzes durch ihr Schienbein.
    Sie hoben sie grob an Armen, die längst nicht mehr kribbelten, sondern zu Dolchen der Schmerzen geworden waren. Kate wurde fast übel, sie hätte sich beinahe übergeben, als sie sie aus der Grube hoben. Sie wußte nicht, ob die Übelkeit von Schmerzen, Angst, Wut oder schierer Erleichterung darüber ausgelöst wurde, daß sie die Grube verlassen durfte.
    Radu Fortuna stand oben. Seine dunklen Augen funkelten. »Er möchte Sie zuerst sehen, Frau.« Fortuna hob eine haarige Hand und drehte ihr den Handrücken zu. »Nein, sagen Sie nichts. Wenn Sie etwas sagen, das mich erbost, nehme ich eine Nadel und eine Angelschnur und nähe Ihnen die Lippen zu. Sie dürfen nur sprechen, wenn ›Er‹ Ihnen eine Frage stellt. Verstanden?« Er hatte die große Hand nicht gesenkt.
    Kate nickte.
    »Gut«, sagte Radu Fortuna. Er schnippte mit den Fingern. »Ion, bring sie hinauf ins Haus. Vater möchte die Frau sehen.«

Kapitel 34
     
    Es war Nacht, die Straßen menschenleer. Sie führten Kate zu einem alten Haus an der Ecke nicht weit von dem Turm entfernt. Über der Vordertür hing ein kunstvolles Schild. Kate sah auf und stellte fest, daß es sich um einen goldenen Drachen handelte, fast zu einem Ring gekrümmt, Krallen ausgestreckt und Maul offen. Im Innern sah es aus wie in einem leerstehenden Restaurant oder Weinkeller. Spinnweben verbanden den Tresen der Bar mit den niedrigen Deckenbalken.
    Der Mann

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