Kinder der Nacht
Probleme und große Geheimnisse ein.
Und jetzt brachte Kate ein Baby nach Hause. Nachdem sie einander jahrelang versichert hatten, jeder aus seinen eigenen Gründen, warum keiner ein Kind in seinem Leben wollte, brachte Dr. Kate Neuman im Alter von achtunddreißig Jahren ein Baby mit nach Hause.
Tom erwischte sie schließlich am Sonntagabend in ihrem Apartment in der Strada Ştirbei Vodă. Seine Floßfahrt war ein voller Erfolg gewesen. Er konnte ihre Nachricht nicht glauben. Seine Stimme drückte die gewohnte Mischung aus jugendlicher Energie und Boulderschem Enthusiasmus aus. Kate war zum Weinen zumute.
»Ich habe Angst, daß es gar nicht soweit kommt«, sagte sie. Die Verbindung war schrecklich und mit sämtlichen Echos, Verzögerungen und Rauschen verbunden, wie bei Überseegesprächen üblich, dazu kam noch das gewohnte Knacksen, Prasseln und Summen des rumänischen Telefonnetzes.
Dennoch konnte Tom sie verstehen. »Was meinst du damit, daß es gar nicht soweit kommt? Hast du nicht gesagt, der gesamte Papierkrieg wäre erledigt? Das Baby ... Joshua ... hast du nicht gesagt, es ginge ihm augenblicklich gut?«
»Ja, er ist stabil ...«
»Und was ...«
»Ich weiß es nicht«, sagte Kate. Ihr wurde bewußt, wenn es hier, wo sie sich befand, Sonntagabend neunzehn Uhr war - das goldene Mailicht lag schwer auf dem Kastanienbaum vor dem Fenster ihres Apartments -, dann mußte es in Boulder Sonntagmorgen zehn Uhr sein. Sie holte Luft. »Ich habe nur schreckliche Angst, daß es irgendwie nicht dazu kommen wird. Daß uns etwas ... aufhalten wird.«
Toms Stimme war so ernst, wie sie sie noch nie gehört hatte. »Das sieht dir gar nicht ähnlich, Kat. Was ist aus der Eisernen Lady geworden, die ich kennen- und liebengelernt habe? Der Frau, die die Welt heilen wollte, ob die Welt geheilt werden wollte oder nicht?« Sein zärtlicher Tonfall strafte die Worte Lügen.
Kate zuckte zusammen, als sie das ›Kat‹ hörte. So hatte er sie am Anfang ihrer Ehe während des Liebesspiels genannt. »Das liegt an diesem Ort«, sagte sie. »Der macht einen paranoid. Jemand hat mir gesagt, daß während der Ära Ceauşescu jeder dritte oder vierte ein bezahlter Spitzel war.« Das Telefon klackte und pfiff. Das Summen der Entfernung erklang in der Leitung. »Dabei fällt mir ein«, sagte sie, »wir sollten nicht alles am Telefon besprechen.«
»Lauscher? Horcher? KGB oder wie immer das in Rumänien heißt?« ertönte Toms Stimme durch das Rauschen. »Hol sie der Teufel. Hol dich der Teufel, wer immer zuhört. Nicht dich, Kat.«
»Nicht wegen der Securitate«, sagte Kate und versuchte zu lächeln. »Wegen der Telefonrechnung.«
»Nun, AT & T soll auch der Teufel holen. Oder MCI. Oder bei wem auch immer ich den Vertrag unterschrieben habe.«
Jetzt lächelte Kate. Sie hatte immer die Rechnungen bezahlen müssen, als sie noch verheiratet waren; Tom hatte fast nie gewußt, wen sie wofür bezahlten. Sie fragte sich, wer wohl jetzt seine Rechnungen bezahlte.
»Wann kommst du morgen in Stapleton an?« fragte Tom. Seine Stimme war über die statischen Störgeräusche hinweg kaum zu hören.
Kate machte die Augen zu und leierte ihren Spruch herunter. »Abflug von Bukarest mit dem PanAm-Flug zehn-siebzig nach Frankfurt über Warschau um zehn nach sieben morgens. PanAm-Flug siebenundsechzig von Frankfurt um halb elf Uhr vormittags, Ankunft auf dem JFK um eins-null-fünf nachmittags. Dann Pan-Am siebenundneunzig vom JFK, Ankunft in Denver um neunzehn Uhr achtundfünfzig.«
»Mann, was für ein Tag für das Baby. Und für die Mutter.« Es herrschte einen Augenblick Stille, abgesehen vom Rauschen. »Ich komme zum Stapleton, um dich abzuholen, Kate.«
»Du mußt nicht ...«
»Ich bin da.«
Kate erhob keine weiteren Einwände. »Danke, Tom«, sagte sie. »Oh ... und bring einen Autositz mit?«
»Einen was?«
»Einen Kindersitz.«
Gedämpftes Gelächter war zu hören, dann ein Fluch. »Na prima«, sagte Tom schließlich. »Also kann ich meinen freien Tag damit verbringen, einen Kindersitz fürs Auto aufzutreiben. Aber du bekommst ihn, Kat. Ich liebe dich, Mädchen. Bis morgen abend.« Er legte mit seiner unvermittelten Art auf, die Kate immer völlig überraschte.
Die plötzliche Stille nach der Unterhaltung war kaum zu ertragen. Kate ging zum hundertstenmal in ihrem Zimmer auf und ab, überprüfte das Gepäck - alles eingepackt, außer ihrem Pyjama und dem Kulturbeutel - zum fünfzigstenmal und blätterte die Dokumente in ihrer
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