Kinder der Nacht
sagte Mauberly. »In diesem Stadium hatte noch niemand daran gedacht, Kulturen aus dem Gebäude wegzubringen. Wenn ich doch nur ...« Seine Stimme bekam einen schrillen, zornigen Unterton. Er strich mit sanften Fingern über Kates unversehrten Arm. »Kate, es tut mir leid. Sie sind durch die Hölle gegangen, und dies alles macht es nur noch schlimmer. Konzentrieren Sie sich darauf, wieder gesund zu werden. Das FBI wird diese Leute finden ... wer immer es getan haben mag, das FBI wird sie finden ...«
»Nein«, flüsterte Kate.
»Was war das?« Mauberly rückte näher, so daß die Stuhlbeine auf dem Boden quietschten. »Was, Kate?«
Aber sie hatte die Augen geschlossen und tat so, als sei sie eingenickt.
Das FBI war gekommen und wieder gegangen, die beiden Ärzte und ein halbes Dutzend Freunde, gefolgt von einem halben Dutzend Mitarbeitern, waren hier gewesen und von der rothaarigen Krankenschwester wieder hinausgescheucht worden, und nur Pater O'Rourke war noch da, als die letzten Streifen des Septemberlichts die Ostwand orange färbten. Kate schlug die Augen auf und sah an der Silhouette des Priesters vorbei zum Fenster hinaus. Dieser machte einen nachdenklichen Eindruck, wie er so an der Heizung beim Fenster lehnte. Der Sonnenuntergang warf schräge Lichtstreifen direkt den Sunshine Canyon entlang in den Westflügel des Krankenhauses. Es war noch nicht ganz neunzehn Uhr, und schon herrschte sonntagabendliche Stille in der Klinik.
»O'Rourke?«
Der Priester wandte sich vom Fenster ab und kam zum Stuhl neben ihrem Bett.
»Würden Sie etwas für mich tun?« flüsterte sie.
»Ja.«
»Helfen Sie mir, die Leute zu finden, die Tom und Julie getötet haben ...« Schwarze Leichen, Haut schuppig wie die Asche eines Baumstamms. Die Leichen kleiner, von den Flammen geschrumpft. Spröde Arme, in Boxerhaltung erhoben. Das Glänzen von Zähnen in einem Lächeln ohne Lippen.
»Ja«, sagte O'Rourke.
»Noch mehr«, flüsterte Kate und ergriff seine große Hand mit der guten rechten Hand und dem Gips der linken. »Helfen Sie mir, Joshua zu finden.«
Sie spürte sein Zögern.
»Nein«, sagte sie lauter als flüsternd, aber immer noch mit beherrschter Stimme, nicht hysterisch. »Der verbrannte Leichnam des Babys war nicht Josh ... zu groß. Glauben Sie mir. Werden Sie mir helfen, ihn zu finden?«
Der Priester zögerte nur noch einige Augenblicke, dann drückte er wieder ihre Hand. »Ja«, sagte er. Und dann, nach einer Minute, als das Sonnenlicht von der Ostwand verschwand und es plötzlich dunkler draußen vor dem Fenster wurde: »Ja, ich werde Ihnen helfen.«
Kate schlief ein, ohne seine Hand loszulassen.
Kapitel 20
Kate verließ das Krankenhaus am Montag, dem 30. September, obwohl sie immer noch scheußliche Kopfschmerzen hatte, ihr linker Arm noch in Gips war und die Ärzte wollten, daß sie noch mindestens vierundzwanzig Stunden blieb. Sie dagegen war nicht der Meinung, daß sie noch einmal vierundzwanzig Stunden im Bett verbringen mußte.
Weil Wasser und Rauch den Teil ihres Hauses, der nicht abgebrannt war, verwüstet hatten, und weil sie ohnehin unter gar keinen Umständen in dieses Haus zurückgekehrt wäre, nahm sich Kate ein Zimmer im Hotel Harvest House nicht weit vom CDC entfernt. O'Rourke und andere Freunde hatten einen Teil ihrer Kleidungsstücke aus dem unbeschädigten Schlafzimmer des Hauses gerettet, und Arleen, Kates Sekretärin, hatte ihr ein paar neue Sachen gekauft. Kate trug die neuen Sachen.
Die sterblichen Überreste von Julie Strickland waren nach der Autopsie und zweifelsfreien Identifizierung anhand der zahnmedizinischen Unterlagen zur Bestattung nach Milwaukee überstellt worden. Kate hatte sich am Montagabend am Telefon mit Julies Eltern unterhalten und anschließend eine Stunde im Hotelzimmer im Dunkeln gelegen, wo sie weinen wollte, weinen mußte, aber nicht weinen konnte.
Toms Leichnam wurde am Dienstag, dem 1. Oktober, verbrannt. Er hatte Freunden einmal gesagt, er wollte, daß seine Asche den Winden der Kontinentalscheide mitten im Staat übergeben werden sollte, daher brach nach dem zum Bersten besuchten Gottesdienst eine Kolonne von vierzig Fahrzeugen, überwiegend Geländewagen, nach Buena Vista auf, um seinen Letzten Willen zu erfüllen. Kate fühlte sich nicht wohl genug, den Konvoi zu begleiten. Pater O'Rourke fuhr sie ins Hotel zurück. Das FBI lauerte ihr weiterhin in der Hotelhalle auf und bedrängte sie mit Fragen über Fragen nach Einzelheiten. Sie glaubten
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