Kinder der Nacht
offenbar ihre Geschichte von Männern in Schwarz, wahrscheinlich Rumänen, die aus unbekannten Gründen versucht hatten, das rumänische Waisenkind zu entführen, und versprachen ihr, daß sämtliche Paßkontrollen der Vereinigten Staaten Ausschau halten würden. Sie konnten ihr allerdings nicht sagen, nach wem sie Ausschau halten würden.
Kate unterhielt sich am Dienstagabend mit Ken Mauberly und erfuhr von ihm, daß Chandras Leichnam zu ihrem Mann und ihrer Familie in Atlanta überführt worden war. Außerdem berichtete er von den Einzelheiten der Beerdigung des Virologen Charlie Tate in Denver.
»Wie sich herausstellte, war Charlie leidenschaftlicher Amateurastronom«, sagte Mauberly mit leiser Stimme am Telefon. »Ich habe am Sonntagabend an seiner Bestattungsfeier im Planetarium des Historischen Museums von Denver teilgenommen. Der gesamte Gottesdienst - kurze Nachrufe von Freunden, eine kurze Predigt seines unitarischen Priesters - wurde in der Kuppel abgehalten, wo nur die Sternbilder als Beleuchtung dienten. Als die Predigt zu Ende war, wurde plötzlich ein Stern am Himmel heller. Charlies Witwe - Sie erinnern sich doch an Donna, Kate, oder nicht? - nun, Donna stand auf und erklärte, daß das Licht dieses Sterns zweiundvierzig Lichtjahre von der Erde entfernt war und seine Reise zur Erde 1949 begonnen hatte, dem Jahr von Charlies Geburt - möglicherweise sogar an seinem Geburtstag - und erst diese Woche eingetroffen sei. Wie auch immer, der Stern wurde immer heller und heller, bis die ganze Kuppel eine helle, milchige Färbung hatte ... und unter diesem magnetischen Licht gingen wir alle nach draußen. Und der Grabstein, den sie anfertigen ließen ... nun, der Spruch ist sehr rührend.« Mauberly machte eine Pause.
»Was steht darauf, Ken?« fragte Kate.
Mauberly räusperte sich. »Charlie hat seine Grabsteininschrift schon vor Jahren selbst verfaßt. Sie lautet: ›Ich habe die Sterne zu sehr geliebt, um jemals Angst vor der Nacht zu haben.‹« Einen Augenblick herrschte Stille. »Kate, sind Sie noch da?«
»Ja«, sagte sie. »Ich bin noch da. Ken, wir sprechen morgen weiter.«
Kate hatte darauf bestanden, daß eine zweite und gründlichere Autopsie des Kindes durchgeführt wurde, das sie in dem niedergebrannten Haus gefunden hatten, und der Leichenbeschauer des County hatte zuerst viel Aufhebens deswegen gemacht. Der Leichnam des Kindes war erst im eingestürzten Abschnitt des Hauses gefunden worden, als die Flammen dort fast niedergebrannt waren - Kate stellte fest, daß sie fast eineinhalb Stunden mit dem gebrochenen Arm und der Gehirnerschütterung den Steilhang hinaufgekrochen war und erst entdeckt wurde, als sie auch die Leichen fanden -, und daher war wenig vom Leichnam des Kindes übrig, das man untersuchen konnte: keine Zähne für die zahnmedizinischen Unterlagen, die sowieso nicht vorhanden gewesen wären, und keine Möglichkeit, die Todesursache eindeutig festzustellen, weil der kleine Leichnam so schwere Verbrennungen aufwies und die einstürzenden Mauern und Balken so ernste innere Verletzungen bewirkt hatten. Nach einer kurzen Untersuchung war als Todesursache ›Tod durch Verbrennungen und andere Verletzungen im Zusammenhang mit dem Feuer‹ festgestellt worden und der Leichenbeschauer hatte sich den anderen Autopsien des Brandes zugewandt.
»Machen Sie es noch einmal und gründlicher«, hatte Kate zu dem verblüfften Leichenbeschauer gesagt. »Sonst werde ich es tun. Wir brauchen eine Blutprobe, eine vollständige Röntgenserie, Magnetresonanzaufnahmen der inneren Organe und Proben von der Magenwand und dem oberen Verdauungstrakt. Es ist von entscheidender Bedeutung für die Ermittlungen des FBI wie auch für die Suche des CDC nach einem möglichen Seuchenvirus ... wenn Sie noch einmal Mist bauen, sitzen Ihnen beide Organisationen im Nacken. Also machen Sie es noch einmal und machen Sie es gründlicher.«
Der Leichenbeschauer war wütend, hatte sich aber gefügt. Am Mittwoch, dem 2. Oktober, brachte Kate den umfangreichen Bericht zu Alan Stevens in der Tomographie des CDC. Dort freuten sich alle, sie zu sehen, aber sie hatte keine Zeit für Nettigkeiten. Sie würdigte die abgeriegelten Klasse-IV-Biolabors, wo Chandra und Tate gestorben waren, fast keines Blickes und nahm nicht einmal in ihrem eigenen Büro Platz, nachdem sie sich vergewissert hatte, daß Disketten, Akten und Projektberichte tatsächlich gestohlen worden waren. Sie traf sich mit Alan im Konferenzraum im Keller,
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