Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
Vom Netzwerk:
den vorzeitig beendeten Fischzug.
    In der Hütte angekommen, ließ sich Maris in einen großen Sessel fallen und versuchte, sich zu entspannen. Während sie Dorrel beobachtete, der seine gewohnten Arbeiten verrichtete, beruhigte sie sich. Er setzte Anitra auf die Stange und zog den Vorhang zu, der den Vogel umgab (bei anderen Völkern war es üblich, den Vögeln eine Kappe aufzusetzen, um sie ruhig zu halten, aber davon hielt er nichts). Dann schürte er das Feuer und hängte einen Kessel darüber.
    „Tee?“
    „Ja.“
    „Statt Honig gebe ich ein paar Kerriblüten hinzu“, sagte er. „Das wird dir guttun.“
    Ein Gefühl der Zuneigung stieg in ihr auf. „Danke.“
    „Willst du deine Sachen nicht ausziehen? Du kannst meinen Bademantel haben.“
    Sie schüttelte den Kopf – sie konnte sich nicht bewegen. Dann bemerkte sie, daß er auf ihre Knie starrte, die nackt unter dem Kilt hervorschauten. Er runzelte besorgt die Stirn.
    „Du hast dich verletzt.“ Er schüttete warmes Wasser in eine Schüssel, nahm ein Ibch und etwas Salbe und kniete vor ihr nieder. Das feuchte Tuch wischte das verkrustete Blut fort wie eine sanfte Zunge. „Nicht so schlimm, wie es aussah“, murmelte er nebenbei. „Nur die Knie, nur Abschürfungen. Eine katastrophale Landung, meine Liebe.“
    Seine Nähe und die zärtliche Berührung erregten sie. Alle Spannung, Angst und Sorge waren plötzlich vergessen. Seine Hand glitt über ihren Schenkel und verweilte dort.
    „Dorr“, sagte sie sanft, beinahe unfähig zu sprechen. Er hob den Kopf, und sie sahen sich in die Augen. Endlich war sie zurückgekehrt.
    „Es wird schon klappen“, sagte Dorrel. „Sie müssen es einsehen. Sie können es dir nicht abschlagen.“ Maris und Dorrel saßen beim Frühstück. Während Dorrel Eier und Tee kochte, hatte Maris ihm ihren Plan ausführlich erklärt.
    Nun lächelte sie und löffelte ihr Ei. Sie war glücklich und hoffnungsvoll. „Wem willst du zuerst Bescheid geben?“
    „Ich dachte an Garth“, sagte Dorrel eifrig. „Ich werde ihn zu Hause abfangen, und wir teilen uns die Inseln. Es werden auch andere mitmachen. Ich wünschte, du könntest mitkommen“, sagte er, und seine Augen glänzten wehmütig. „Es wäre schön, wieder einmal gemeinsam zu fliegen.“
    „Wir können noch oft gemeinsam fliegen, Dorr. Wenn …“
    „Ja, ja, wir können noch viele Flüge unternehmen, und gerade heute hätte es mir besonders gefallen. Wirklich schade.“
    „Ja. Es war immer schön.“ Ihr Lächeln steckte ihn an. Er streckte gerade seine Hand aus, um sie zu streicheln und ihre Hand zu nehmen, als es plötzlich laut und gebieterisch an der Tür klopfte. Beide erstarrten vor Schreck.
    Dorrel stand auf, um nachzusehen. Maris saß genau in Blickrichtung auf die Tür. Es gab weder eine Möglichkeit, sich zu verstecken, noch einen zweiten Ausgang.
    Helmer stand draußen, mit gefalteten Flügeln auf dem Rücken. Er sah Dorrel an, konnte aber keinen Blick an ihm vorbei in die Hütte werfen. „Corm hat von seinem Fliegerrecht Gebrauch gemacht und eine Versammlung einberufen.“ Helmers Stimme klang monoton, gespannt und formell. „Die Versammlung soll über die ehemalige Fliegerin Maris von Klein Amberly befinden, die ein fremdes Flügelpaar gestohlen hat. Dein Erscheinen wird verlangt.“
    „Was?“ Maris war aufgesprungen. „Corm hat eine Versammlung einberufen? Warum?“
    Dorrel warf Maris einen Blick über die Schulter zu und sah dann Helmer an, der Maris sichtlich verlegen ignorierte.
    „Warum, Helmer?“ fragte er ruhiger als Maris.
    „Ich habe bereits alles gesagt. Ich habe keine Zeit zu verlieren, um mit meinem Mund den Wind zu bewegen. Ich muß noch andere Flieger aufsuchen, und es herrscht kein gutes Flugwetter.“
    „Warte auf mich“, sagte Dorrel. „Nenne mir einige Namen und Inseln, dann helfe ich dir.“
    Helmers Mundwinkel zuckte. „Ich hätte nicht gedacht, daß dir daran gelegen wäre. Nie hätte ich dich um Hilfe gebeten. Aber wenn du es selbst willst …“
    Helmer gab Dorrel einige knappe Anweisungen, während der junge Flieger geschwind seine Flügel anlegte. Maris ging auf und ab. Wieder fühlte sie sich verwirrt, unruhig und hilflos. Helmer hatte sie offenbar nicht bemerken wollen, um ihnen beiden Peinlichkeiten zu ersparen. Deshalb stellte sie keine weiteren Fragen.
    Bevor er aufbrach, küßte und drückte Dorrel sie zärtlich. „Füttere Anitra für mich und mach dir keine Sorgen. Ich hoffe, ich bin zurück, bevor es dunkel

Weitere Kostenlose Bücher