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Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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möchten? Nur weil sie einer Fliegerfamilie entstammen, bedeutet das noch nicht, daß sie Talent haben. Auch Coli, den ich wie einen Bruder und Sohn liebe, wollte nie ein Flieger sein. Die Flügel gehörten ihm, dennoch hätte ich sie ihm nicht geben können – nicht geben wollen – oh, selbst wenn er sie gewollt hätte, ich hätte sie nicht aufgeben können …“
    „Daran ändert dein System auch nichts“, rief jemand.
    Maris schüttelte den Kopf. „Nein, daran würde sich nichts ändern. Es würde mich nicht glücklich machen, die Flügel zu verlieren, aber wenn mich jemand besiegte, könnte ich auf der Akademie bleiben und trainieren. Und im nächsten Jahr könnte ich versuchen, sie zurückzugewinnen. O nein, mein System ist nicht perfekt. Wir besitzen nicht genug Flügel, und es werden immer weniger. Aber wir müssen den Verlusten Einhalt gebieten, indem wir aufhören, unqualifizierte Flieger auszusenden. Es wird immer Unfälle geben, so wie es immer Gefahren gibt, aber wir werden weniger Flügel und Flieger aufgrund eines überkommenen Gesetzes, durch Angst und Unvermögen verlieren.“
    Maris war erschöpft, ihr gingen die Argumente aus, aber ihre Rede hatte die Zuhörer aufgerüttelt. Sie hatte viele für sich zurückgewonnen. Ein Dutzend Flieger meldeten sich. Jamis gab ein Zeichen. Ein kräftig gebauter Mann von Shotan erhob sich aus der Menge.
    „Dirk von Groß Shotan“, sagte er leise und wiederholte seinen Namen, nachdem einige Flieger aus den hinteren Reihen ‚lauter!’ riefen. Seine Rede klang unbeholfen und schüchtern. „Ich wollte nur sagen … ich habe hier gesessen und zugehört … ich habe … nicht erwartet … bei der Entscheidung über eine Ächtung solche Dinge zu hören.“ Er schüttelte den Kopf. Es bereitete ihm offensichtlich Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden. „Ach, verdammt“, sagte er schließlich. „Maris hat recht. Fast schäme ich mich, es zu sagen, aber es ist die Wahrheit, ich möchte nicht, daß mein Sohn die Flügel bekommt. Ich habe Angst. Er ist ein guter Junge, müßt ihr wissen, und ich liebe ihn, aber hin und wieder hat er Schüttelanfälle. Er kann nicht fliegen – er sollte nicht fliegen. Aber er ist herangewachsen und hat an nichts anderes gedacht. Nächstes Jahr, wenn er dreizehn ist, wird er die Flügel übernehmen. Wenn alles beim alten bleibt, muß ich sie ihm geben. Er wird davonfliegen und sterben. Und ich werde weder*meinen Sohn, noch meine Flügel haben. Lieber sterbe ich selbst. Nein!“ Außer Atem setzte er sich, sein Gesicht war rot angelaufen.
    Einige Leute spendeten Beifall. Maris blickte ermutigt zu Corm hinüber. Sein Lächeln war verschwunden. Plötzlich hatte er Zweifel.
    Ein guter Freund erhob sich und nickte ihr aufmunternd zu. „Ich bin Garth von Skulny“, sagte er. „Ich stimme für Maris’ Vorschlag!“ Ein Flieger nach dem anderen unterstützte sie. Maris lächelte. Dorrel hatte überall in der Zuhörerschaft Freunde, und nun versuchten sie, die Versammlung auf ihre Weise zu überzeugen. Es schien zu funktionieren! Denn zwischen den zustimmenden Worten von Fliegern, die Maris schon jahrelang kannte, erhoben sich immer wieder Fremde, die ihren Vorschlag ebenfalls unterstützten. Hatten sie schon gewonnen? Corm sah besorgt aus.
    „Du hast erkannt, was an unserer Tradition falsch ist, aber ich glaube, deine Akademie ist keine Lösung.“ Diese Worte nahmen Maris den selbstgefälligen Optimismus. Die Sprecherin war eine große, blonde Frau, eine der führenden Flieger von den Äußeren Inseln. „Es gibt gute Gründe für unsere Tradition, und wir sollten sie nicht schwächen. Wir müssen stattdessen unsere Kinder besser unterrichten. Wir müssen ihnen den Stolz anerziehen, wir müssen ihr Talent von Kindesbeinen an ausbilden. Auf diese Weise hat mich meine Mutter erzogen, und so unterrichte ich meinen Sohn. Vielleicht ist ein Test hilfreich – deine Idee der Herausforderung finde ich gut.“ Sie lächelte gezwungen. „Ich muß gestehen, auch ich fürchte mich vor dem Tag, der bald kommen wird, an dem ich meine Flügel an Vard weitergeben muß. Ich denke, wir sind beide noch zu jung dazu. Deshalb finde ich es eine ausgezeichnete Idee, daß er sein Können unter Beweis stellen soll, indem er sich mit mir mißt – und die Flügel bekommt, wenn er sich als der bessere Flieger herausstellt.“
    Andere Flieger im Saal nickten zustimmend. Ja, natürlich, warum hatten sie nicht selbst erkannt, was für Vorteile ein Test

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