Kinder der Stürme
Sohn eines Nachtfalken wäre. Und niemand wird Maris die Flügel nehmen, bevor sie sie selbst ablegt. Nein. Wenn ihr euren Kindern das Fliegen gründlich genug beibringt, werden sie den Himmel behalten. Wenn ihr den Stolz wirklich empfindet, mit dem ihr die ganze Zeit prahlt, dann beweist es, indem ihr all diejenigen Flügel tragen laßt, die sich durch ihr Können dafür qualifizieren.“
Russ nahm wieder Platz, seine Gestalt wurde von der Dunkelheit der Halle geschluckt. Corm wollte etwas entgegnen, aber Jamis, der Senior, gebot ihm zu schweigen. „Wir haben genug von dir gehört“, sagte er. Corm sah ihn überrascht an.
„Ich denke, ich sollte das Wort ergreifen“, sagte Jamis. „Danach werden wir abstimmen. Russ hat sehr weise zu uns gesprochen, aber ich möchte noch etwas ergänzen. Stammen wir nicht alle von den Sternenseglern ab? Ganz Windhaven ist eine große Familie. Und es gibt niemanden, der nicht einen Flieger in seinem Stammbaum nachweisen kann, wenn er nur weit genug zurückschaut. Denkt daran, meine Freunde. Und bedenkt das auch, wenn euer erstgeborenes Kind die Flügel trägt und fliegt. Seine jüngeren Geschwister und deren Nachkommen werden Landgebundene sein. Sollten wir ihnen wirklich den Himmel verweigern, nur weil ihre Vorfahren als zweites und nicht als erstes Kind geboren wurden?“ Jamis lächelte. „Vielleicht sollte ich auch hinzufügen, daß ich der zweite Sohn meiner Mutter bin. Mein älterer Bruder starb sechs Monate, bevor er die Flügel übernehmen sollte, in einem Sturm. Ist das nicht nur ein Zufall?“
Er blickte die beiden Landmänner zu seiner Rechten und Linken an. Sie hatten während der ganzen Verhandlung geschwiegen, so wie es das Gesetz der Flieger gebot. Er flüsterte mit beiden und nickte.
„Wir befinden, daß Conus Ersuchen, Maris von Klein Amberly zu ächten, nicht statthaft ist“, sagte Jamis. „Wir werden nun über Maris’ Vorschlag einer Fliegerakademie mit freiem Zugang für jedermann abstimmen. Ich bin dafür.“
Danach gab es keine Zweifel mehr.
Anschließend befand sich Maris in einem leichten Schockzustand. Der Sieg hatte in ihr ein Schwindelgefühl ausgelöst. Sie konnte nicht fassen, daß alles vorüber war und sie nicht länger kämpfen mußte. Draußen war die Luft kühl und feucht, der Wind blies von Osten. Sie stand auf den Stufen und genoß die Meeresluft. Freunde und Fremde traten an sie heran, um mit ihr zu sprechen. Dorrel legte den Arm um sie und stellte weder Fragen, noch demonstrierte er Siegesfreude, aber er bot ihr Halt. Was nun? Sie überlegte. Nach Hause gehen? Wo war Coli? Vielleicht wollte er Barrion holen, um mit ihm die Reise anzutreten?
Die Menge löste sich auf. Russ und Jamis standen noch in der Nähe. Ihr Stiefvater hielt das Schwingenpaar. „Maris“, sagte er.
„Vater?“ Ihre Stimme zitterte.
„Es hätte nie anders sein dürfen“, sagte er und lächelte sie an. „Ich wäre stolz, wenn ich dich wieder meine Tochter nennen dürfte, nach allem was ich dir angetan habe. Und ich wäre noch stolzer, wenn du meine Flügel tragen würdest.“
„Du solltest sie tragen“, sagte Jamis. „Die alten Gesetze gelten nicht mehr, und du hast sie wirklich verdient. Bis wir die Akademie ins Leben gerufen haben, gibt es außer dir und Devin niemanden, der sie tragen könnte. Und du wirst sie sicherlich besser hüten als Devin.“
Sie streckte die Hände aus, um die Flügel entgegenzunehmen. Sie gehörten wieder ihr. Sie lächelte und war nicht mehr müde. Das vertraute Gewicht in ihren Händen gab ihr Sicherheit.
„Oh, Vater“, sagte sie, und Tränen liefen über ihr Gesicht, als sie und Russ sich umarmten.
Als die Tränen getrocknet waren, gingen sie mit einigen anderen zur Sprungklippe. „Laßt uns nach Eyrie fliegen“, schlug sie Dorrel vor. Und plötzlich stand auch Garth in der Gruppe. „Garth, komm mit uns. Wir werden ein Fest feiern!“
„Ja“, sagte Dorrel, „aber ist Eyrie dazu der beste Ort?“
Maris wurde rot. „Nein, natürlich nicht, du hast recht!“ Sie sah sich in der Menge um. „Nein, wir gehen nach Klein Amberly, zu uns nach Hause, und alle sind eingeladen. Wir und Vater werden dabeisein, der Landmann und Jamis. Barrion wird für uns singen, das heißt, wenn wir ihn finden, Und …“ Und dann sah sie Coli. Mit strahlendem Gesicht rannte er auf sie zu.
„Maris! Maris!“ Er lief ihr entgegen und umarmte sie lachend.
„Wo bist du gewesen?“
„Ich war mit Barrion unterwegs, ich mußte
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