Kinder der Stürme
wütend. „Aus Liebe zu dir habe ich einiges für dich getan, aber ich kenne meine Grenzen. Es stimmt, die Welt hat sich verändert, und wir haben dazu beigetragen, aber wir brauchen nicht das Böse und das Gute gleichermaßen zu akzeptieren. Wir haben es nicht nötig, uns mit Leuten wie Val Einflügler zu verbrüdern, mit Leuten, die unsere Tradition verspotten und einen Keil zwischen uns treiben wollen. Am Ende wird er uns mit seinem Egoismus und seinem Haß zerstören, Maris. Aber weil du das nicht verstehst, wirst du ihm helfen. Ich aber nicht. Verstehst du das?“
Sie nickte, sah ihn aber nicht an.
Eine Minute verging, ohne daß sie miteinander sprachen. „Gehst du mit mir in die Hütte zurück?“ fragte er schließlich.
„Nein“, entgegnete sie, „nein, nicht sofort.“
„Gute Nacht, Maris.“ Dorrel wandte sich um und ging von ihr fort, wobei seine Stiefel im Sand knirschten, bis sich ihm die Hüttentür öffnete, Partylärm herausdrang und dann wieder schloß.
Am Strand war es ruhig und friedlich. Die Fackeln auf den Pfählen flackerten im Wind. Sie hörte das entfernte und niemals endende Rauschen des Meeres, das immerwährende Lecken der Wellen am Strand.
Niemals zuvor hatte sich Maris so einsam gefühlt.
Maris und S’Rella verbrachten die Nacht gemeinsam in einer der fünfzig Hütten am Strand, die auf Geheiß des Landmanns von Skulny für die Flieger errichtet worden waren. Das kleine Fliegerdorf war bis jetzt nur halb belegt, aber Maris wußte, daß die Frühankömmlinge zuerst die komfortableren Unterkünfte im Fliegerquartier und im Gästeflügel des Inselhauses, dem Sitz des Landmannes, bezogen hatten.
S’Rella machte die Einfachheit der Hütte nichts aus. Sie schwebte auf rosa Wolken, als Maris sie gegen Ende der auskhngenden Party in die Realität zurückholte. Den ganzen Abend über war Garth bei ihr geblieben und hatte sie fast allen Anwesenden vorgestellt. Auch hatte er ihr drei Portionen seines Stew aufgedrängt, nachdem sie es überschwenglich gelobt hatte. Dann hatte er sie mit peinlichen Anekdoten über die Hälfte der anwesenden Flieger unterhalten. „Er ist nett“, sagte S’Rella, „aber er trinkt zuviel.“ Maris konnte nur zustimmen, obwohl es nicht immer so gewesen war. Als sie S’Rella endlich fand, hatte Garth rote Augen gehabt, und von seiner Standfestigkeit konnte keine Rede mehr sein. Maris führte ihn ins Hinterzimmer und brachte ihn zu Bett, während er undeutliches und unverständliches Zeug erzählte.
Der nächste Tag zog grau und windig herauf. Der Schrei eines Imbißverkäufers weckte sie. Maris ging hinaus und kaufte zwei heiße Würstchen an seinem Wagen. Nach dem Frühstück legten sie die Flügel an und flogen. Nur wenige Flieger waren am Himmel. Ferienstimmung breitete sich aus, und die meisten tranken und unterhielten sich in der Hütte, machten dem Landmann ihre Aufwartung oder gingen auf Skulny spazieren, um zu sehen, ob es etwas zu sehen gab. Aber Maris bestand darauf, daß S’Rella trainierte. Sie nützten die hervorragende Thermik aus und blieben fast fünf Stunden in der Luft.
Unter ihnen belagerten wieder Kinder den Strand, um ankommenden Fliegern behilflich zu sein. Trotz ihrer großen Zahl waren sie die ganze Zeit beschäftigt, denn den ganzen Tag über segelten Flieger herein. Den prächtigsten Anblick – S’Rella beobachtete alles mit großen, ehrfurchtsvollen Augen – bot die Fliegergruppe von Groß Shotan. Fast vierzig Flieger flogen in Formation. Ihre dunkelroten Uniformen und Silberflügel glänzten in der Sonne.
Zum Beginn der Wettkämpfe, so wußte Maris, würden alle virtuosen Flieger von den weitverstreuten Inseln des Westens da sein. Auch die östlichen Inseln würden zahlreich antreten, wenngleich nicht mit derselben Vollzähligkeit wie der Westen. Die Südlichen Inseln waren kleiner und weiter entfernt, aus diesem Grund würden auch sie nicht so viele Vertreter stellen, und von den Äußeren Inseln, dem einsamen Artellia, den vulkanischen Funken und anderen abgelegenen Orten würde schließlich nur noch eine Handvoll Flieger erscheinen.
Am Nachmittag saßen Maris und S’Rella vor der Hütte. Beide hatten ein Glas heißer Gewürzmilch in der Hand, als Val erschien.
Er schenkte Maris ein spöttisches Grinsen und setzte sich neben S’Rella. „Ich glaube, du hast die Gastfreundschaft der Flieger genossen“, sagte er kurz.
„Sie waren sehr nett“, sagte S’Rella errötend. „Kommst du heute abend? Es wird wieder
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