Kinder der Stürme
Holzflügler und Einflügler den wahren Fliegern vor. Ich kenne dich nicht mehr.“
Die Trauer in seinem Gesicht verletzte sie mehr als die Schärfe seiner Wprte. Maris zwang sich zu sprechen. „Nein“, sagte sie, „du kennst mich nicht mehr.“
Dorrel wartete einen Moment. Wartete darauf, daß sie etwas sagte. Aber Maris wußte, wenn sie den Mund noch einmal öffnete, dann nur noch um zu schreien oder zu schluchzen. Auf Dorrels Gesicht sah sie Traurigkeit und Zorn miteinander kämpfen, aber schließlich siegte der Zorn. Ohne ein Wort wandte er sich um und ging.
Sie sah ihm nach, als er ging, und fühlte, daß sie verblutete. Aber diese Wunde hatte sie sich selbst zugefügt.
„Meine Wahl“, flüsterte sie, und Tränen liefen über ihr Gesicht, durch deren Schleier sie auf das Meer hinausblickte.
Zu zweit waren sie gestartet, Stunden später kehrten sie einer nach dem anderen zurück.
Die Menge der Landgebundenen wartete am Strand. Mit gespannten Mienen suchten sie den Horizont ab. Während sie auf die Ergebnisse der Fliegerwettkämpfe warteten, hatten sie selbst Spiele durchgeführt, gegessen und getrunken.
Die Richter beobachteten den Himmel durch ein Fernrohr, das der beste Optiker von Sturmstadt angefertigt hatte. Vor ihnen auf dem Tisch standen zahlreiche Holzschachteln, eine für jedes Rennen, und Häufchen kleiner Steine, weiße für die Flieger, schwarze für die Herausforderer. Nach Abschluß eines Rennens warf jeder Richter einen Stein in die Holzschachtel. Ging ein Rennen unentschieden aus, warfen die Richter einen Stein jeder Farbe in die Schachtel. Oder -aber das geschah selten – wenn der Sieg sehr eindeutig war, konnten zwei weiße oder zwei schwarze Steine hineingeworfen werden.
Bevor man den ersten Flieger vom Ufer aus sichten konnte, war er auf den Booten bereits zu sehen, und der Ruf scholl über das Wasser. Am Strand versammelten sich die Menschen und legten die Hände über die Augen, um nicht von der Sonne geblendet zu werden. Shalli richtete ihr Fernrohr auf.
„Siehst du etwas?“ fragte ein anderer Richter.
„Ein Flieger“, sagte sie lachend. „Da“, sie versuchte darauf zu zeigen, „unter den Wolken. Ich kann nicht erkennen, wer es ist.“
Die anderen starrten ebenfalls angestrengt in die Ferne. Maris konnte das Pünktchen, worauf sie zeigten, kaum sehen. Für sie hätte es ebensogut ein Drache oder ein Regenvogel sein können, aber die Richter hatten Fernrohre.
Die Frau von den Östlichen Inseln erkannte den Flieger als erste. „Es ist Lane“, sagte sie überrascht. Die anderen sahen ebenfalls beeindruckt aus. Lane war im dritten Paar gestartet, erinnerte sich Maris. Das bedeutete, daß er nicht nur seinen Sohn geschlagen hatte, sondern auch die anderen vier überholt hatte, die vor ihm gestartet waren.
Als er zur Landung ansetzte, stießen zwei weitere Flieger aus den Wolken hervor, einer lag mehrere Flügelspannen in Front. Die Richter kündigten das erste Paar an, das gestartet war. Einer der Gehilfen des Landmannes schob zwei Holzschachteln über den Tisch, und Maris hörte das leise Klicken, als die Kiesel hineingeworfen wurden.
Nachdem man die Schachtel wieder zur Seite gestellt hatte, kam sie näher heran. In der ersten Schachtel zählte sie fünf schwarze Steine und einen weißen. Vier Richter hatten sich für den Herausforderer entschieden, einer für ein Unentschieden. Die andere Schachtel, die das Ergebnis des Rennens anzeigte, in dem Lane geflogen war, wies fünf weiße Steine auf. Aber als weit draußen zwei weitere Flieger erschienen, von denen jedoch keiner Lanes Sohn war, ließen die Richter drei weitere weiße Steine hineinfallen.
Als er zwanzig Minuten später endlich auftauchte, waren fünf andere vor ihm angekommen, und Lanes Schachtel wies zehn weiße Steine auf. Ein kaum aufzuholender Vorsprung. Der Junge hatte wahrscheinlich schon verloren, dachte Maris.
Jeder der ankommenden Flieger wurde in Augenschein genommen. Die Richter gaben die Namen an die Ausruferin weiter, die sie für alle hörbar verkündete. Mit lauten Schreien antworteten die Landgebundenen, die sich am Strand versammelt hatten, auf die Ankündigungen der Ausruferin. Hin und wieder hörte Maris lautes Aufstöhnen. Sie vermutete, daß hinter den Rufen eher finanzielle als persönliche Interessen steckten. Die meisten Landgebundenen kannten die Flieger anderer Inseln zu wenig, um sie zu mögen oder zu verachten, aber traditionsgemäß wurde um den Ausgang der Rennen gespielt,
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