Kinder der Stürme
du tun kannst. Selbst wenn du verlierst, gibt es ein nächstes Jahr.“
S’Rella nickte. Sie hatten die Hütte erreicht. Sie ging auf sie zu und hielt dann inne. „Oh“, sagte sie. Ihre Stimme klang erschreckt. „Maris“, flüsterte sie.
Aufgeschreckt ging Maris zu ihr. S’Rella stand zitternd da und starrte auf die Tür. Auch Maris sah hin, und ihr wurde beinahe schlecht.
Jemand hatte zwei tote Regenvögel an die Tür genagelt. Sie hingen schlaff und zerzaust herab, und ihre hellen Federn waren von dunklen Flecken bedeckt. Man hatte Nägel durch die kleinen Körper getrieben. Blut tropfte langsam und unentwegt auf den Boden.
Maris ging hinein, um ein Messer zu holen, mit dem sie die gräßliche Warnung entfernen wollte. Als sie den ersten Nagel herauszog und der tote Regenvogel auf den Boden plumste, bemerkte Maris zu ihrem Entsetzen, daß man das Tier nicht nur getötet, sondern auch verstümmelt hatte.
Man hatte ihm einen Flügel vom Körper gerissen.
Am zweiten Tag war es frisch und der Himmel bewölkt. Bei Sonnenaufgang regnete es, und obwohl der Regen nachließ, als die Morgenwettkämpfe begannen, blieb der Tag feucht und kalt und der Himmel schwer von Wolken. Die Zafü der landgebundenen Zuschauer hatte sich verringert, denn es war kein Vergnügen, bei diesem Wetter am Strand zu sitzen, und die rauhe See trug auch nur wenige Boote mit Beobachtern.
Aber die Flieger interessierten sich nur für den Wind, und der blies am zweiten Tag stark und gleichmäßig und versprach ausgezeichnetes Flugwetter.
Maris zog Sena von den Holzflüglern fort, die sich am Strand unterhalb der Klippe versammelt hatten, und sprach leise mit ihr.
„Wer könnte so etwas tun?“ fragte Sena mit entsetzter Stimme.
Maris legte einen Finger auf ihre Lippen. Sie wollte nicht, daß sie jemand hörte. S’Rella hatte sich durch diesen Vorfall fürchterlich erschreckt, und es gab keinen Grund, auch die anderen zu beunruhigen.
„Ein Flieger vermutlich“, sagte Maris verärgert. „Ein kranker, verbitterter Flieger. Aber wir haben keinen Beweis. Es könnte ein Flieger gewesen sein, der herausgefordert wurde, oder der Freund eines Fliegers, der herausgefordert wurde, oder einfach ein Fremder, der die Holzflügler haßt. Es könnte sogar ein einheimischer Landgebundener gewesen sein, der gegen Val Einflügler gewettet hat. Mein persönlicher Verdacht richtet sich gegen Arak, aber ich kann ihm nichts nachweisen.“
Sena nickte. „Gut, daß du den anderen nichts gesagt hast. Ich hoffe nur, S’Rella hat das alles verkraftet.“
Maris sah zu S’Rella hinüber, die mit anderen Studenten zusammenstand und mit Val sprach. „Sie muß sich heute anstrengen, oder es ist für sie vorbei.“
„Sie fangen an“, rief Damen und zeigte zu den Klippen hinauf. Die ersten beiden Wettkämpfer waren aufgestiegen und flogen geschwind über den Strand. Sie würden über dem Meer kreisen, wußte Maris, und jeder würde eine Abfolge von Geschicklichkeitsübungen und Figuren vorführen, um sein Können zu demonstrieren. Die jeweiligen Übungen waren den einzelnen Fliegern überlassen. Manche begnügten sich damit, Standardübungen so fehlerlos wie möglich zu zeigen, während andere voller Ehrgeiz schwierigste Flugfiguren wagten. Selten ließ sich eindeutig feststellen, wer gewonnen oder verloren hatte. In dieser Phase der Wettkämpfe hing alles davon ab, wie die Richter ihre Macht ausübten.
Die ersten beiden Paare zeigten nichts Besonderes. Hauptsächlich Starts, Landungen und anmutig schwungvolle Wenden. Alles wurde gekonnt ausgeführt, aber die Übungen enthielten nichts Spektakuläres. Der dritte Zweikampf war anders. Der Flieger Lane, der am Tag zuvor ein gutes Rennen geflogen hatte, war auch ein ausgezeichneter Artist. Von der Klippe gesprungen, stürzte er auf den Strand hinunter und trieb so dicht darüber hin, daß die Landgebundenen die Köpfe einziehen mußten. Dann fand er einen Aufwind, schoß hinauf, stieg durch die Wolken und war außer Sichtweite, bis er wieder mit wahnsinniger Geschwindigkeit herunterfiel, um erst im letzten Augenblick die Schwingen zu entfalten und sich abzufangen. Er zeigte Schräglagen, lurns und Loopings und drohte nur einmal kurz abzuschmieren -fing sich aber sofort wieder –, und Maris ertappte sich dabei, wie sie seinen Schneid bewunderte. Sein Sohn war ihm nicht gewachsen. Der arme Junge würde lange auf die Flügel warten müssen, es sei denn, er forderte im nächsten Jahr jemanden außerhalb seiner
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