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Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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gesprungen. Corms Helfer waren von ihm zurückgetreten, und er stand mit voll ausgefahrenen Silberschwingen da, aber Val machte keine Anstalten, seine eigenen zu entfalten. Statt dessen untersuchte er die Gelenke eines Flügels, als suchte er nach einem Materialfehler. Corm sagte ihm etwas, offenbar in scharfem Ton, und Val sah von seiner Beschäftigung hoch und machte eine vielsagende Geste.
    „In Ordnung“, sagte Corm laut und deutlich, dann rannte er los und hing einen Augenblick später in der Luft.
    „Dort ist Corm“, sagte Shalli. „Wo ist Einflügler?“
    „Weiß er denn nicht, daß ihn dies den Sieg kosten kann?“ murmelte Sena.
    Maris faßte Sena fest am Ellbogen. „Er macht es schon wieder“, sagte sie aufgeregt.
    „Macht was schon wieder?“ fragte Sena, aber während sie noch sprach, hellte sich ihr Gesicht auf, und Maris wußte, daß sie verstanden hatte.
    Val sprang.
    Der Weg nach unten war lang, und unter ihm waren nur der Sand und die Zuschauer. Diesmal war das Kunststück waghalsiger und gefährlicher als über dem Wasser. Aber er führte es dennoch vor. Er fiel, seine Flügel flatterten hinter ihm wie ein silbernes Cape. Shalli und der Richter von den Südlichen Inseln sprangen auf die Füße, zwei der Landwachen eilten zur Steilwand, selbst die Ausruferin gab einen Laut der Überraschung von sich. Irgendwo weit unten hörte Maris Leute kreischen.
    Vals Flügel erwachten zum Leben.
    Einen Augenblick lang schien das nicht genug zu sein. Er fiel immer noch mit wachsender Geschwindigkeit, selbst als seine Flügel voll entfaltet waren. Aber dann warf er sich auf eine Seite … und das brachte es. Plötzlich schoß er steil nach oben, legte sich über dem Strand in eine Kehre und flog auf die See hinaus. Einige Leute hatten sich in den Sand geworfen, und immer noch kreischte jemand, aber es gab auch Rufen und Geschrei.
    Dann Stille, ein lang angehaltener Atem. Val rasierte die Wellen, als glitte er über Eis, dann begann er langsam aber gleichmäßig zu steigen. Gelassen flog er zu Corm hinaus, der gerade fast unbemerkt einen schwierigen Looping vorgeführt hatte.
    Applaus brach los, und entlang des Ufers klatschten die Landgebundenen und stimmten in den Refrain ein: „Einflügler, Einflügler“. Nicht einmal Lanes spektakulärer Hechtsprung hatte ihnen so gefallen wie Vals Vorführung.
    Die Richterin aus dem Osten lachte. „Ich habe nicht geglaubt, daß ich das noch einmal sehen würde“, erklärte sie. „Verdammt gut. Selbst Rabe hätte es nicht besser gekonnt.“
    Shalli blickte niedergeschlagen drein. „Ein billiger Trick“, sagte sie. „Und außerdem sehr gefährlich.“
    „Selbstverständlich“, stimmte der Richter von den Äußeren Inseln zu, „aber ich habe noch nie etwas Vergleichbares gesehen. Wie hat er das geschafft?“
    Die Richterin aus dem Osten versuchte es ihm zu erklären, wodurch beide ins Gespräch kamen. In einiger Entfernung führten Val und Corm ihre Übungen durch. Val mächte seine Sache gut, obwohl Maris bemerkte, daß seine Aufwindturns noch verbesserungswürdig waren. Corm jedoch flog besser. Mit jeder seiner Übungen stach er Val aus, denn sein Stil war weitaus anmutiger. Man konnte ihm die jahrzehntelange Erfahrung anmerken. Aber seine Bemühungen waren vergeblich, dachte Maris, denn nach Rabes Sturzflug konnte noch soviel Eleganz die Waagschale nicht zu seinen Gunsten beeinflussen.
    Sie hatte recht. Lediglich Shalli brachte einen Einwand hervor. „Corm war weitaus besser“, beharrte sie. „Ein einziger tollkühner Stunt ändert nichts daran.“ Mit einer ausholenden Geste warf sie einen weißen Stein in die Schachtel.
    Aber die anderen Richter lächelten sie nur mitleidig an, und die vier weiteren Steine, die ihrem folgten, waren schwarz.
    „Garth von Skulny, S’Rella, die Holzflüglerin!“
    Obwohl S’Rella und Garth von ihrer Erscheinung her völlig unterschiedlich waren, ähnelten sie sich an diesem Morgen, dachte Maris, während sie sie bei ihren Vorbereitungen beobachtete. Aufgrund seines Sieges vom Vortag müßte Garth gehobener Stimmung sein, auch waren ihm die Flügel so gut wie sicher, dennoch sah er blasser und gealtert aus. Er sprach kaum ein Wort mit Riesa und legte dann seine Flügel mit einer geradezu hölzernen Bedächtigkeit an. S’Rella biß sich auf die Lippen, während ihre Helfer die Flügel entfalteten. Sie schien den Tränen nahe.
    Keiner von beiden versuchte einen gewagten Absprung. S’Rella wandte sich nach links,

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