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Kinder des Donners

Kinder des Donners

Titel: Kinder des Donners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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völlig von der realen Welt ab, weißt du? Ich mußte mir einfach mal wieder die Bei- ne vertreten. Er wird natürlich hinter uns herfahren, aber laß dich dadurch nicht stören.«
    Mit diesem David zur Schule zu spazieren — den Mäd- chen, die ich früher mal meine Freundinnen nannte, zuzuwin- ken — und sie dann beobachten lassen, wie ich in den Roller einsteige ...!
    Eine Sekunde später stand ihr Plan fest, bis auf ein paar kleinere Details, zum Beispiel, ob sie ihn vielleicht auch noch küssen sollte, und zwar so, daß sie es alle se- hen und sie hassen konnten. Zaghaft ließ sie es zu, daß ein Lächeln sich auf ihrem Gesicht ausbreitete.
    »In diese Richtung«, sagte sie.
    Alles verlief genauso, wie sie es geplant hatte — zu-
nächst. Sie kamen im richtigen Moment an, gerade als
ihre früheren Mitschülerinnen noch ein paar Minuten
Pause hatten, bevor der Nachmittagsunterricht begann. Sie winkte ihnen zu, ohne David auch nur einen Augen-
blick lang loszulassen, sah den Neid in ihren Gesichtern — jedenfalls deutete sie es so, obwohl es ebensogut Haß hätte sein können — und, als sie hineingerufen wurden, rauschte der Roller heran. Sie waren zu weit entfernt, um sie flüstern zu hören: »Ich bin noch nie in einem Roller gefahren. Darf ich ...?«
    »Hinein mit dir!«
    Er hielt ihr die Tür auf.
    Und dann, fast im selben Moment, liefen die Dinge auf schreckliche und beängstigende Weise schief.
    Warum fuhr der Wagen sofort in Richtung zu ihr nach Hause? Warum wurde sie hineingebracht, wobei sie sich immer noch an Davids Hand klammerte wie an einen Rettungsring in tobender See? Wer war dieser fremde,
    ernste Erwachsene, der mit ihren Eltern über ihre Zu- kunft sprach?
    Ich bin unter Drogen gesetzt worden! Ich soll gekidnappt werden!
    Doch derartige wilde Vermutungen, die vom Fernse-
hen gespeist waren, verblaßten wieder. Sie wurde ruhi- ger und schnappte einige markante Worte der Unterre- dung auf: »Sonderschule« — »viele ähnliche Kinder« ...
    Und erkannte mit einer blitzartigen Erleuchtung: Er lügt! Er ist mir nicht zufällig auf der Straße begegnet! Weil...!
    Und jetzt kam ihr die aufregendste Erkenntnis über-
haupt:
    Weil er ebenfalls die Macht hat. Ich bin nicht allein!
    Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen und brach in Weinen aus.
    Während der langen Fahrt nach Virginia Water kuschel- te sie sich in eine Ecke des luxuriösen Rücksitzes und genoß den gesündesten Schlaf seit Monaten.

Sie sehen TV-Plus. Es folgen die Nachrichten.
    Dreihundert Menschen wurden heute in Staffordshire ob- dachlos, als Methangas, das aus einer vergessenen Mülldepo-
nie strömte, entflammte. Fahrzeuge der Feuerwehr und Not- arztwagen wurden von jugendlichen, die Pro-Thrower-Arm- binden trugen, mit Steinen beworfen. Einer von ihnen, der sich einer Identifizierung entzog, behauptete, daß das Gas ab-
sichtlich in Brand gesteckt worden sei, weil die Gegend zum
überwiegenden Teil von Schwarzen bewohnt wird. Mehr dar- über in Kürze.
    General Thrower selbst sagte heute nachmittag als Spre-
cher bei einer Kundgebung in West-London — Zitat: »Die Abschaffung der atomaren Mittelstreckenraketen war der größte Verrat seit Menschengedenken. Uns Briten steht die Handhabung der modernsten Waffen zu, um Freiheit und De- mokratie zu verteidigen ...«
    Peter wandte sich von seinem Computer ab und fluchte leise vor sich hin. Ellen saß auf der Couch vor dem Fern- sehgerät, bei dem sie für die Dauer einer Werbespot- Unterbrechung den Ton abgeschaltet hatte, und erkun- digte sich, was los sei. Die Luft war angefüllt von dem würzigen Duft eines Gemüsecurrys, das sie gerade kochte. Später, hatte sie gesagt, würde sie noch Chapat-
tis machen; der Preis für Reis war in den vergangenen paar Wochen von astronomischen Höhen zur Uner- schwinglichkeit angestiegen.
    Peter ließ sich neben sie plumpsen und rieb sich mit dem Handrücken über die Stirn.
    »Es ist tatsächlich so, daß eine Person an höchster Stelle Anteile an der Firma besitzt, die Thanataph her- stellt — das Zeug, das die Bienen umgebracht hat. Jake wagt sich nicht an die Story heran, genausowenig wie die Fernsehleute. Und ich dachte, ich hätte wieder mal ein ganz heißes Eisen im Feuer. Wir werden uns wohl in voraussehbarer Zukunft von Gemüse ernähren müs- sen.«
    »Macht nichts«, sagte sie tröstend und drückte seine Hand. »Es wird sich irgend etwas anderes ergeben. Ich habe wieder Bier gemacht, und es müßte jetzt eigentlich fertig sein.

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