Kinder des Donners
hierhergeholt wurde.«
»Ja, natürlich. Wir leisten wirklich etwas Wertvolles,
oder nicht?«
»Ohne Zweifel. Obwohl ich eigentlich nicht einmal
weiß, wie oder warum wir in diese Sache hineingeraten sind.«
»Ich glaube, das lag wahrscheinlich daran ...« Sie stockte.
»Sprich weiter!«
Mit einem trotzigen Klang in der Stimme, als ob sie
Widerspruch erwartete oder Hohn, sagte sie: »Ich den- ke, es geschah aus Liebe.«
Er runzelte die Stirn. »Hmm! Aber wenn du es so ausdrücken willst...«
»Ich weiß, es klingt etwas sentimental, aber ...«
»Warum aber? Ich finde, du hast recht. Ich war bis jetzt noch nicht darauf gekommen, aber — ja! Ich habe David immer geliebt, natürlich, obwohl er nicht mein richtiger Sohn ist. Und langsam erwächst in mir das
gleiche Gefühl für sie alle. Und ...« Er zögerte, dann fuhr er fort. »Und ich bin froh, daß ich aus dem rück- sichtslosen Kampf des Geschäftslebens ausgestiegen bin. Ich bin zu meiner Zeit auch nicht gerade zimperlich vorgegangen, das muß ich zugeben, aber die Leute, die
heutzutage für die Wirtschaftslage der Welt verantwort- lich sind, scheinen ihr Handwerk in der Drogen-Bran- che gelernt zu haben.«
»Vielleicht haben sie das wirklich.« .
»Eben. Ich habe es nicht unbedingt als Witz ge- meint ... Nein, ich habe das Gefühl, wir können glück-
lich sein, daß wir ausgestiegen sind.«
»Was für einen besseren Grund gibt es, einen Schluck zu trinken?«
Nach dem zweiten Glas Brandy fingen sie an, miteinan- der zu schmusen — zum ersten Mal wieder seit mehre- ren Wochen —, als ein lautes Fußgetrappel auf dem Par- kettboden des Flurs das Ende der Kinder-Konferenz an-
zeigte und David hereinspaziert kam. Wie stets war sei- ne Miene neutral, weder glücklich noch niedergeschla- gen, nur zielstrebig.
»Wir müssen morgen wieder mal eine Reise unter- nehmen«, verkündete er.
»Und wenn nun die Schulinspektorin kommt?« hielt
Harry dagegen.
»Ach, die!« sagte David verächtlich. »Mit der kann
man leicht fertigwerden. Vorausgesetzt die Formulare
sind alle ausgefüllt, kann Alice die Sache erledigen.«
Ihr Gesicht drückte Widerwillen aus. »Ganz ehrlich, ich glaube nicht. ..«
»Oder die anderen Kinder können es.« Er wischte den Einwand mit einer ungeduldigen Handbewegung bei- seite. »Ich werde ihnen Anweisungen geben, was sie zu
sagen haben. Aber ich habe einen weiteren möglichen Neuzugang ins Auge gefaßt.«
Sie wußten, wie das vor sich ging, verstanden es je- doch nicht. Es mußte irgendwie mit der Leistungsfähig- keit seiner Computeranlage zusammenhängen, zu der eins der fortschrittlichsten Modelle der ganzen Welt ge- hörte. Verglichen mit den Anlagen, die in Großbritan- nien benutzt wurden — selbst von der britischen Regie- rung —, war sie um fünf Jahre voraus, und er machte sich den Umstand zunutze, daß er Daten aus angeblich mehrfach geschützten Quellen heraushacken konnte. Sie hatten jedoch ein klares Gespür dafür, daß es nicht
angebracht wäre, sich allzu eingehend über diesen Teil
von Davids Machenschaften zu informieren.
Er schloß, ohne weitere Einwände zu erwarten: »Ich
möchte gleich nach dem Frühstück losfahren.«
Und weg war er.
Tracy Coward hatte einen grausamen Augenblick lang ihren Triumph im Gerichtssaal ausgekostet, als die
Mädchen, die sie angegriffen hatten, bestraft wurden, während sie ihrerseits all die Schätze, die sie zurückver- langt hatten, wieder zugesprochen bekam.
Aber das war das letztemal gewesen, daß sie sich an- nähernd glücklich oder zufrieden gefühlt hatte.
Es war der Anfang ihres Niedergangs, als sie erfuhr, daß die Narben, die sie von der Schlägerei zurückbehal-
ten hatte, nicht ohne aufwendige und kostspielige chir- urgische Eingriffe verschwinden würden. Jetzt mußte sie sich stets dick mit Make-up vollschmieren, zurück- gezogen in ihrem Zimmer, bevor sie sich selbst ihren El- tern zeigte, und auch dadurch wurden die Male nicht vollkommen verdeckt — besonders, wenn ihr beim An- blick ihres Gesichts Tränen kamen und ihre Wangen fleckig machten. Außerdem mußte sie ihr Haar auf be- stimmte Weise kämmen und fest besprühen, damit es die Stelle verbarg, wo ihr ein Stück Kopfhaut herausge- rissen worden war.
Zornig und voller Rachegedanken pflegte sie neuer- dings Abend für Abend und an den Wochenenden allein vor sich hinzugrübeln und ihre Juwelen anzustarren wie ein Geizhals, der seine Münzen zählt. In der Schule ver- weigerte sie die Mitarbeit und
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