Kinder des Donners
Soll ich dir welches bringen?«
»Ja, bitte — du liebe Güte, ich habe gar nicht gemerkt, wie spät es inzwischen geworden ist!« Er streckte die Hand nach der Fernbedienung des Fernsehgeräts aus, um den Ton wieder lauter zu stellen. »Ich bin gespannt, welche Nachrichten in diesen Tagen den Weg auf den
Bildschirm schaffen.«
Die Antwort war, mit einem Wort, unerfreulich. Gleich beim ersten Thema richtete er sich mit einem Ruck auf. Während eines Sturms in der Nordsee war ein holländischer Frachter gegen eine Bohrinsel getrieben worden und hatte sie aus ihrer Verankerung gerissen.
Der dadurch entstandene Ölteppich war bereits zehn Meilen lang und breitete sich weiter aus, und es bestand
nicht die geringste Hoffnung, — sagte ein betroffen dreinblickender Sprecher der Gesellschaft —, das lecke Rohr abzudichten, bevor sich das Wetter besserte ... was nach den düsteren Voraussagen des Wetterberichts nicht vor einer Woche der Fall sein dürfte.
»Ach, mein Kind«, sagte Peter mit brüchiger Stimme.
»Was für eine Welt hinterlassen wir dir! Wenn ich mir vorstelle, was man mit dem Öl alles Nützliches hätte tun können — mit all dem vielen Öl! Es gibt inzwischen fünf Millionen Arbeitslose, weißt du das?«
»Darüber habe ich im Fernsehen nichts gehört!« sagte sie und reichte ihm sein Bier.
»Das konntest du auch nicht. Offiziell sind es weniger als vier, aber langsam fällt ihnen nichts mehr ein, um
die Gesamtzahl herunterzuspielen. Und das bedeutet, das ist klar, daß die Gewinne aus dem Nordseeöl dafür verpulvert wurden, daß die Leute nichts taten, anstatt für die Verbesserung der Infrastruktur verwendet zu werden ... Tut mir leid, ich glaube, das habe ich dir schon mal erzählt, oder nicht?«
Sie nickte und runzelte die Stirn. »Aber wie können sie nur so blöd sein? Ich meine, selbst Kabinettsminister und Industriebosse brauchen sauberes Wasser, ein funktionierendes Abwassersystem, sichere Brücken und
all solche Sachen.«
»Ich glaube, es liegt nicht so sehr daran, daß sie blöd
sind. Ich glaube, sie können einfach nur den Hals nicht vollbekommen. Ihre Raffgier ist grenzenlos, und über so etwas wie Gewissen verfügen sie nicht. Ich erinnere mich, daß ich vor vielen Jahren etwas gelesen habe — wahrscheinlich war ich damals so alt wie du heute — über einen reichen Amerikaner, der für seine Dreck-
schleudern von Fabriken berüchtigt war. Auf die kriti-
sche Frage eines besorgten Umweltschützers, in was für einer Welt seine Kinder wohl leben müßten, sagte er, das sei für ihn kein Problem, denn er habe in Kanada Land für sie gekauft, weit weg von all dem Dreck.«
»Das ist Blödheit«, sagte Ellen bestimmt, während sie den Blick immer noch auf den Bildschirm gerichtet hielt. Er zeigte jetzt eine Karte der Nordsee mit den vorherr- schenden Winden und Strömungen. »O je, das sieht schlecht aus, was meinst du?«
Peter zwang seinen Geist, sich wieder mit der Gegen-
wart zu beschäftigen. Nach einer Weile sagte er: »Sehr schlecht. Ich wäre jetzt äußerst ungern Fischer auf ei- nem Kutter im Nordosten, das ist mal das erste. Und wenn dann Skandinavien seine Rechnung präsen- tiert...«
»Warum rufst du nicht Jake an und bietest ihm eine
Reportage über die Folgekosten an?«
»Mein Schatz, du bist ein Genie! Ich weiß nicht, was in der letzten Zeit mit mir los ist!« Er stürzte sein Bier in einem Zug hinunter und ging zum Telefon. Über die Schulter fügte er hinzu: »Ruf die Wetterkarte für die
Nordsee ab, sei so lieb!«
»Klar!« Im gleichen Moment saß sie auch schon vor dem Computer. »Welchen Schlüssel muß ich eingeben?«
»021-METEORO. Mein Benutzercode lautet PE- TREL.« Er schlug bereits auf die Tasten, um die Num- mer des Comet zu wählen.
»Hmm? Dad, du hast doch >Petrol< gesagt, oder nicht? Ich komme damit nicht durch.«
»Was ...? Ach, Entschuldigung, Petrel, zweimal mit e. Wie der Sturmvogel.«
»Ach so! ... Okay, ich hab's. Nordsee ... Welche spe- ziellen Angaben willst du?«
»Das gleiche, was sie im Fernsehen gezeigt haben — Windrichtung und -stärke, Strömungen —, und außer- dem alle Daten über Industrie und Gewerbe im Küsten- gebiet, wie die Werte von Wirtschaftsanlagen, Einkünfte aus dem Tourismus ... fällt dir sonst noch was ein?«
»Was ist zum Beispiel mit dem Wert des ausgeflosse- nen Öls?«
»Gute Idee!«
Die Telefonleitungen des Comet waren natürlich be- legt. Peter programmierte den Apparat auf automati- sche
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