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Kinder des Donners

Kinder des Donners

Titel: Kinder des Donners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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ein eigenes Zimmer für sie unerläßlich war. Das ganze Verhalten der Frau hatte angedeutet, daß sie ihn verdächtigte, eine Vergewaltigung seiner Tochter zu planen, sobald sie ge- gangen wäre.
    Und natürlich ergaben sich zahllose kleine Unan- nehmlichkeiten — wie zum Beispiel, daß er jetzt für den
    Weg zum Bad und zurück einen Bademantel anziehen mußte. Er besaß keine Schlafanzüge, schon seit er ein Junge war nicht mehr, und hatte sich automatisch ange- wöhnt, in der Wohnung nackt herumzulaufen, denn wenn einmal jemand bei ihm war, dann war sie mit Si- cherheit in der Nacht zuvor in seinem Bett gelegen.
    Noch schlimmer jedoch war, daß er den nächsten wirklich lukrativen Auftrag, der ihm von TV-Plus ange- boten wurde, ablehnen mußte. Einem Gerücht zufolge waren nach den Vorbereitungsarbeiten für den Bau des
Kanaltunnels in Kent tollwütige Ratten aufgetaucht. In einer der letzten Sendungen hatte Continuum über das Grassieren der Tollwut berichtet, die sich immer weiter zur französischen Küste hin ausbreitete, so daß Peter der geeignete Mann gewesen wäre, sich dieses Themas
anzunehmen. Statt dessen hatte er hilflos um Verständ-
nis ringen müssen: »Ellen ist ein Opfer der Heathrow- Katastrophe — ich muß eine Schule für sie ausfindig
machen, kann sie nicht einfach sich selbst überlassen,
dafür ist sie noch viel zu jung, und überhaupt, nach al- lem, was sie durchgemacht hat...«
    »Dann muß ich eben versuchen, jemand anderes da-
für zu gewinnen.«
    Klick.
    Und damit war auch die Aussicht auf einen Firmen- wagen gestorben.
    Doch das vielleicht schlimmste an der ganzen Sache
war, daß dieses scheue, rehäugige Wesen, dieser zer- brechliche, mehr als verwaiste Spielball der bösen
Schicksalsmächte — diese Noch-nicht-Person, deren Existenz zugegebenermaßen auf einem Fehler beruh- te —, so ungemein emsig darauf bedacht war, es ihm recht zu machen. Sie wollte nicht sein, was sie erkannte zu sein: eine Last. Also bat sie um die Erlaubnis, ihm aus dem Weg gehen zu dürfen, den Abwasch zu erledi-
gen, ihre erbärmlich wenigen Kleidungsstücke, die er gegen ihren heftigen Protest durch einige Neukäufe er-
    gänzt hatte, zu waschen, unbeweglich vor dem Fernseh-
gerät zu sitzen, mit Kopfhörern auf den Ohren, damit er nicht durch den Ton gestört würde ...
    Nein. Das war nicht das schlimmste. Das schlimmste
war, daß sich der Verdacht bei ihm einschlich, er hätte besser daran getan, Kamala durch gutes Zureden zu versöhnen, als sie damals einen Jähzornsausbruch hat- te, weil sie dahintergekommen war, daß er ... nun ja, daß er etwas getan hatte, über das sie außer sich war. Er hatte sie sehr gemocht: eine schlanke, hübsche Kran- kenschwester, die er während des Medizinstudiums kennengelernt hatte. Doch dann, durch unglückliche Umstände ...
    Er schob diesen Gedanken beiseite, oder er versuchte
es wenigstens. Trotz aller Bemühungen tauchten immer wieder Bilder vor seinem geistigen Auge auf, wie sein Leben jetzt aussehen könnte: als niedergelassener Arzt
mit einer gut eingeführten Praxis, einer Frau zur Seite, die ihn mit Rat und Tat unterstützte, und einer Tochter, die die nächstgelegene Schule besuchte ...
    Halt! Man hätte mich auf der Straße gesteinigt!
    Wenn es nach Leuten wie der Polizistin Prentis ging...
    Einige Probleme verflüchtigten sich mit überraschender Geschwindigkeit. Damals hatte es für ihn keine Bedeu-
tung gehabt, doch zu den Vorzügen, die ihm der Immo-
bilienmakler, über den er diese Wohnung gekauft hatte, aufgezählt hatte (wann wurde übrigens endlich seine alte verkauft? >Zu verkaufen<-Schilder waren in Lon- don so zahlreich wie rote Flecken bei einer Masernin- fektion, und — als ob er nicht schon genug Scherereien hätte — ein potentieller Käufer war von der Bank für ei- ne so hohe Hypothek als nicht sicher genug einge- schätzt worden, so daß er jetzt unfreiwilliger Besitzer von zwei Wohnungen war!) hatte der Umstand gehört,
daß es eine Schule in der Nähe gab, die zu Fuß erreich-
    bar war. Er ging mit Ellen hin, erzählte der Direktorin ihre Geschichte und wurde mit Mitgefühl überhäuft. Ei-
nige Hebel müßten in Bewegung gesetzt werden, und
vielleicht könnte sie erst eine Woche nach Unterrichts- beginn in ihrer Klasse aufgenommen werden, aber — nun ja, es ließe sich machen.
    Dies war ein Meilenstein, der das erste Mal kenn-
zeichnete, daß er seine Tochter direkt nach ihrer Mei- nung fragte, abgesehen von solchen

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