Kinder des Donners
väterlich an.«
»Ach, hören Sie auf, ja! Sie hat heute abend zum er- stenmal ihre Periode bekommen, und ich habe versucht, es ihr einigermaßen erträglich zu machen!«
Eine Weile herrschte Schweigen. Schließlich sagte Claudia: »Es tut mir leid. Ich wußte gar nicht, daß Sie verheiratet sind.«
»Ich bin nicht verheiratet. In Wirklichkeit...« — er suchte nach der alten Bezeichnung, die ihm irgendwo im Kopf herumschwebte, und stürzte sich auf sie, wie sich ein Falke auf seine Beute stürzt — »ist sie ein Ban- kert. Doch ihr Zuhause brannte bei der Heathrow-Kata- strophe nieder, deshalb habe ich sie in meine Obhut ge- nommen.«
Als Claudia wieder sprach, war ihr Ton merklich herzlicher.
»Ich möchte trotzdem mit Ihnen reden. Genaugesagt, ich muß mit Ihnen reden. Können wir uns treffen, um ...«
»Heute abend soll ich ausgehen? Sie spinnen wohl! Ein Kind ganz allein lassen, das zum erstenmal seine Periode hat! Da setze ich mich doch lieber neben ihr Bett!«
»Kann ich dann vielleicht zu Ihnen kommen?«
Peter dachte einen Moment lang nach, hin- und her-
gerissen zwischen zwei Verpflichtungen. Schließlich siegte die berufliche Seite.
»Na gut«, seufzte er. »Um welche Zeit?«
»Ich kann in einer halben Stunde bei Ihnen sein.«
»Ich erkläre Ihnen den Weg ...«
Sie unterbrach ihn.
»Wenn ich nicht wüßte, wo Sie wohnen, wie hätte ich Sie dann anrufen können? Aber keine Sorge! Alle Auf- zeichnungen darüber, welche Teilnehmer ich angewählt habe, löschen sich von selbst, sobald ich den Hörer auf-
lege. Oh — noch etwas!«
»Ja« — ungeduldig, denn er spürte Ellens große trau- rige Augen auf sich ruhen.
»Was für einen Computer haben Sie?«
Er nannte die Marke.
»Das ist gut. Ich werde eine Diskette mitbringen. Be- stimmt wird sie Sie interessieren ... Bis in einer halben
Stunde.«
Ellen brauchte noch mehr Watte. Die Blutung war dafür, daß es das erstemal war, ganz beträchtlich. Als sie eini- germaßen gestillt war, fragte sie, ob sie sofort wieder ins Bett müßte. Da er befürchtete, wenn er darauf bestünde, würde sie es als persönliche Zurückweisung auffassen, gestattete er ihr aufzubleiben, bis sein Besuch einträfe.
Daraufhin kuschelte sie sich gleich neben ihm auf der Couch zusammen, um die Fernsehnachrichten zu ver- folgen.
Wer bin ich? Wo bin ich? Bin ich in einer Falle gefangen, die schlimmer ist, als sie der schlimmste Alptraum hervorbringen
könnte, oder stehe ich kurz vor dem Durchbruch, um mir ei-
nen Namen zu machen und zu Ansehen zu gelangen? Das schlimmste: Bin ich vielleicht einer ungeheuerlichen Ge-
schichte auf der Spur, die ich wegen Ellen nicht verfolgen kann?
Sie ist ein süßes Kind. Sie ist so nett, daß ich es jetzt bedau- re, nicht mit Kamala in Kontakt geblieben zu sein. Aber trotz-
dem empfinde ich sie als Fessel.
Renato Tessolari war unglaublich stolz auf seinen Sohn — sein einziges Kind — GianMarco. Wie er immer wie- der gern betonte, hatte der Junge das schwarze Haar von ihm und die braunen Augen seiner Frau Constanza, auch wenn ansonsten wenig Ähnlichkeit festzustellen war.
Und der Umstand, daß er nach sieben kinderlosen Jahren geboren wurde! Als Renato langsam ernsthaft befürchtete, daß der Fehler bei ihm liegen könnte, denn er hatte in seiner Jugend durchaus ein ausschweifendes
Leben geführt, und nicht ein einziges Mal war eins der Mädchen, mit denen er das Lager geteilt hatte, schwan- ger ...
Nun, letztendlich hatte sich alles zum Guten gewen-
det. Große Dankbarkeit schuldete er vor allem Gian- Marcos Onkel, seinem Schwager Fabio Bonni, der so gut Bescheid wußte über die neuesten Errungenschaf-
ten der Wissenschaft und vorgeschlagen hatte, Con- stanza sollte doch nach England reisen, wo die Ärzte unglaubliche Fortschritte in der Behandlung von Un- fruchtbarkeit vorweisen konnten.
Die Therapie hatte Wunder gewirkt! Bereits innerhalb eines Monats nach ihrer Rückkehr war sie lächelnd zu
ihm gekommen und hatte ihm ihre Schwangerschaft
verkündet, und ihm war, als ob ihm eine zentnerschwe- re Last von der Seele genommen worden wäre.
Denn was wäre ohne einen direkten Erben aus den Ländereien geworden, die seit dem siebzehnten Jahr- hundert im Besitz der Familie Tessolari waren? Sie wä- ren vielleicht irgendwelchen Vettern zugefallen — von denen die meisten droben im Norden lebten und ihr Geld mit Dingen verdienten, die absolut nichts mit Mutter Erde zu tun hatten. Sie waren nicht die Men- schen für den ewig
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