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Kinder des Donners

Kinder des Donners

Titel: Kinder des Donners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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Schramme. Der dritte, der älteste — fast achtzehn — war als Rio be- kannt, denn er bevorzugte gepunzte Lederstiefel und ei- nen Matador-Hut, den sein Vater aus Spanien mitge-
bracht hatte, und er erzählte gern, wie er am Strand von
Benidorm sich der Oben-ohne-Talente kaum erwehren
konnte, ungeachtet der Tatsache, daß aufgrund der Wirtschaftsflaute das Touristikgeschäft vollkommen am Boden lag und er nie weiter als nach Whitley Bay von zu Hause weggekommen war — dort hatte er übrigens das Messer erworben, das er im rechten Stiefel trug.
    Terry hatte ihre jeweiligen Stärken mit Bedacht kulti- viert und gemeinsam stellten sie eine furchterregende Macht dar.
    Doch heute hatte er das eine oder andere Hühnchen
mit ihnen zu rupfen.
    »Also, zur Sache!« verkündete er in seiner zu früh tief
gewordenen Stimme. »Rio, was muß ich da hören — du trägst Mr. Lees Mülltonnen nicht hinaus? Wie oft habe
    ich dir schon gesagt: Man muß uns dabei sehen, daß wir irgend etwas tun! Wir müssen ein ehrliches Verhalten zur Schau steuern! Da ist doch nicht allzuviel dabei, oder? Es bringt uns fünfzehn Piepen ein, und es dauert nur eine Viertelstunde. Oder ist für dich ein Scheinchen pro Minute zu wenig?«
    Verlegen wackelte Rio unter dem eindringlichen Blick des Jüngeren von einem Fuß auf den anderen. »Er woll-
te es mich diese Woche nicht machen lassen«, murmelte er. »Sagte, er würde diesmal nichts bezahlen. Und über- haupt nie mehr.«
    »Dieses alte Mistschwein!« rief Terry. Mr. Lee war Be- sitzer einer Fisch-und-Chips-Bude und Abholküche für
chinesisches Essen: ein dünner, ständig besorgter Mann mit einer kleinen, fetten Frau und einem Schwarm nicht voneinander unterscheidbarer kleiner Kinder mit fla- chen Gesichtern und undurchdringlichen Mienen, die durch den Schlitz eines Vorhangs die Kundschaft be- gafften.
    »Das gleiche gilt für Mr. Lal!« rief Taff. Lal war ein In- der, der einen Laden mit Zeitungen, Tabakwaren und Süßigkeiten betrieb. Sein Schaufenster war mit einem dichten Eisengitter verrammelt, weil Pakistanis wieder- holt Anschläge auf ihn verübt hatten. Der auf dem süd- asiatischen Subkontinent brodelnde Krieg hatte an vielen weit entfernten Orten solche Kleinkämpfe ent- facht. Er sprach mit einem Akzent, der >Bombay-Welsh< genannt wurde, und Taff imitierte ihn mit größter Be-
geisterung. In diesem Stil fügte er also hinzu: »Vielmals Verzeihung, Mister Sir! Hab' ich nicht genug Einnah- men mehr, Sie nicht können meine unverkauften Zei- tungen wegbringen.«
    »Ich glaube, sie verschwören sich gegen uns«, brummte Barney, und ein Grinsen teilte die breitge- schlagenen Lippen unter einer zweimal gebrochenen Nase. »Was sollen wir dagegen machen, Terry?«
    Inzwischen schlenderten sie die Straße hinunter. Frü-
    he Einkaufsbummler wichen nervös aus, um sie vorbei- gehen zu lassen, selbst wenn das bedeutete, daß sie Kinderwagen und Handkarren auf die Straße schieben mußten. Die Jungen nahmen es nicht zur Kenntnis.
    »Nun, ich glaube, ich sollte Mr. Lee mal darüber auf- klären, daß ich den Flammpunkt von handelsüblichem Bratöl kenne, meint ihr nicht?« sagte Terry nach kurzem Nachdenken. »Und ich weiß auch, was bei einer höhe- ren Temperatur alles brennt!«
    Rio kicherte. Barney sah enttäuscht aus. Diese Art von Aktion war für seinen Geschmack zu wenig direkt.
    »Und«, fuhr Terry fort, »Mr. Lal muß ich wohl mal er- klären, daß Leute, die ihre Zeitungen nicht bekommen, auch nicht zahlen. Wir kennen doch all die Jungs, die für ihn als Boten arbeiten, oder? Begriffen?«
    Taff grübelte einen Moment lang, dann sah er den Zusammenhang und signalisierte das mit zwei erhobe- nen Daumen, begleitet von einem breiten Grinsen.
    »Und«, schloß Terry, »Ich werde ihnen auch mal sa- gen, daß ihre wöchentliche Zahlung auf zwanzig Piepen heraufgesetzt wird, weil sie sich so störrisch beneh- men.«
    Bei dieser Bemerkung sah sogar Barney zufrieden aus, und sie trennten sich im besten Einvernehmen.
    Brian wollte an diesem Abend gerade den Laden zuma- chen, da hörte er ein Klopfen an der Tür. Er war im Be- griff zu brüllen: »Tut mir leid, zu spät!« als er den Besu- cher durch die Scheibe erkannte und sich anders be- sann. Er kannte Mr. Lee vom Sehen, natürlich, doch er und seine Familie blieben vollkommen unter sich, so wie es die Leute in diesem Viertel am liebsten taten. Er hatte noch nie bei ihm etwas gekauft, und seinem Ge- sichtsausdruck nach zu schließen, kam er

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