Kinder des Donners
auch jetzt nicht als Kunde.
Während er die Tür öffnete, sagte er unsicher: »Guten
Abend, Mr. Lee. Was gibt es?«
»Es geht um Ihren Sohn. Kann ich Sie für einen Au- genblick sprechen?«
Brian zögerte. Dann brummte er: »Na gut. Kommen Sie mit rauf!«
»Abend Mum! Abend, Dad!« rief Terry, als er ins Wohn- zimmer gesaust kam.
Und wie angewurzelt an der Tür stehenblieb. Der Fernsehapparat lief, wie üblich, doch der Ton war abge- dreht. Und es war Besuch da.
Sein Herz pochte wild. Das roch nach Unannehmlich- keiten!
Doch seine Mutter sagte rasch: »Darf ich Ihnen eine
Tasse Tee anbieten, Mr. Lee? Obwohl ich annehme, daß
er mit dem, was Sie in China haben, natürlich nicht ver- gleichbar ist.«
Ein Gefühl der Erleichterung durchflutete Terry, und plötzlich empfand er sich wieder als besonnener Herr der Lage. Dies war ein Zeichen dafür, daß Mr. Lee so- eben erst gekommen war; das Anbieten von Tee geschah
bei seiner Mutter so automatisch wie der Kniezuckreflex und war das erste, was ihrem »Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen?« Und »Bitte nehmen Sie doch Platz« folgte.
Brian sagte: »Mr. Lee sagte, er möchte dich sprechen, Terry.«
»Ach, wie schön!« Der Junge ging auf Mr. Lee zu,
nahm seine Hand und schüttelte sie warmherzig. »Und ich wette, ich weiß bereits, was er sagen möchte. Mal se- hen, ob ich recht habe. Er ist gekommen, um sich lo- bend über die Arbeit zu äußern, die ich und meine Freunde für ihn erledigen — stimmt das, Mr. Lee? Er ist gekommen, um zu sagen, daß wir für ihn eine so große Hilfe bedeuten, daß er unsere Bezahlung erhöhen möchte — stimmt das, Mr. Lee? Stimmt das?«
Er konnte geradezu fühlen, wie sich die Zehen des Mannes in den Schuhen krümmten. Nach einer Weile antwortete er dumpf:
»Ja. Ja, das stimmt. Vielen Dank, Missis, aber ich glaube, ich kann nicht zum Tee bleiben. Jetzt wissen Sie ja Bescheid, und ich muß zurück. Wir öffnen in einer halben Stunde. Entschuldigen Sie mich bitte.«
Und er ging zur Treppe.
»Also, so was!« sagte Renee, während sie ihm nach- blickte. »Das war ein sehr komischer Besuch, das muß ich schon sagen!«
»Ach ja, bei der orientalischen Mentalität weiß man nie, woran man ist«, erklärte Terry großspurig. »Ihr Denken funktioniert anders als unseres — das kann man überall nachlesen ... Was gibt's zum Essen? Ich ha- be wahnsinnigen Hunger!«
Später, während er sich umzog, um am Abend auszu- gehen, überlegte er:
So ganz anders kann ihr Denken nicht funktionieren, na- türlich nicht. Selbst ein Schlitzauge wie er erkennt die Butter- seite vom Brot — ach nein, sie essen ja kein Brot, oder? Dann eben die Saucenseite der Nudeln.
Und damit erntete er einen Lacherfolg, als er sich
später mit seinen Partnern in ihrer Stammkneipe traf; der Wirt dort war übrigens zu klug, um Terry keinen Al- kohol auszuschenken, obwohl er dem Gesetz nach noch zu jung dazu war.
Hier ist der Sender TV-Plus. Es folgen Nachrichten.
Die Ermittlungen im Zusammenhang mit der Katastrophe,
durch die im vergangenen Jahr Hunderte von Menschen ob- dachlos geworden sind, haben ergeben, daß die Explosion durch ein Versehen bei der Durchführung einer bislang nur im
Labor erprobten chemischen Reaktion auf industrieller Ebene ausgelöst worden war. Eine Mineralwasser-Abfüllfirma, die ihren Betrieb wegen der Verseuchung der Naturquellen ein-
stellen mußte, wird die Verursacherfirma, Flixotrol, auf eine Million Pfund Schadenersatz verklagen.
In Tottenham, London, wurde ein farbiger jugendlicher heute beinah zu Tode geprügelt, weil er sich geweigert hatte, ein Thrower-Band zu tragen. Wilfred Holder, siebzehn ...
Die folgende Woche erwies sich in Wirklichkeit als nicht ganz so entsetzlich, wie Peter während jener uner- träglichen Minuten, nachdem die Polizisten hinausmar-
schiert waren und die Tür hinter sich zugeschlagen hat- ten, befürchtet hatte.
Nicht ganz ...
Doch das war ein schwacher Trost dafür, daß er diese Fremde ständig um sich herum hatte. Ihm kam der Ge- danke an einen Mühlstein, an einen Hals gebunden ...
Schlimm war, daß er sich nun in der Situation befand,
sich auf noch weniger Raum zum Leben und Arbeiten beschränken zu müssen als in seiner alten Wohnung, denn Ellen brauchte ein Zimmer für sich allein. Die So-
zialarbeiterin, die pünktlich am nächsten Morgen er- schienen war, hatte ihm einen ganzen Stapel von Bro-
schüren dagelassen, denen er die gesetzlichen Bestim- mungen entnehmen konnte, nach denen
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