Kinder des Feuers
kleinen Bauch, weicher als sonst. Wenn sie rasch aufstand, überkam sie Schwindel, und des Nachts schlief sie trotz der Kälte tief und fest.
Ich bekomme ein Kind, ein Kind von Arvid, dachte sie.
Jene Nacht in Pˆıtres, die in einem anderen Leben stattgefunden zu haben schien, hatte Frucht getragen.
Ihr wurde heiß vor Freude. Ihr wurde kalt vor Angst. Sie bekam ein Kind, sie liebte Arvid, sie war von ihm getrennt und würde es ihm nicht sagen können. Noch schlimmer war: Sie würde das Kind nicht retten können – nicht vor Hawisa. Die brauchte eine Tochter, die sie mit Hasculf vermählen und zur Herrscherin machen konnte. Sie brauchte keinen Enkel von einem Mann ungewisser Abstammung.
Bis jetzt hatte sie ihre Gefangenschaft irgendwie ertragen können, jetzt brach sich nackte Verzweiflung Bahn. Sie weinte und schrie lauter als das Meer – laut genug, um andere auf sich aufmerksam zu machen.
Es war nicht die Mutter, die kam, wie sie zuerst dachte, als ein schmaler Lichtstreifen auf sie fiel – es war ein kleiner, gebückter Mensch. Sie war nicht sicher, ob er den Kopf einzog, weil die Höhle so niedrig war oder weil es in seiner Natur lag. In jedem Fall trug er eine Kutte. Er war ein Mönch.
Mathilda fiel vor ihm zu Boden. »Gelobt sei Jesus Christus!«, stieß sie aus. Sie hoffte, er möge in diesen Ruf einstimmen, doch das tat er nicht. Sein Blick war nicht einmal sonderlich mitleidig. »Du bist ein Mann Gottes, du wirst mir doch helfen«, rief sie.
»Ich bin ein Sklave, ich kann nichts für dich tun.«
Die Worte trafen sie wie ein Schlag. Erneut wuchs ihre Verzweiflung und trieb ihr neue Tränen in die Augen – salzig wie das Meer, aber viel heißer. Sein Mitleid blieb aus.
»Ich bin hier, um dir einen Rat zu geben«, sagte er. Es klang beinahe gleichgültig. »Hawisa ist eine Frau, der man sich besser nicht widersetzt. Sie bildet sich tatsächlich ein, dass sie erst das Cotentin erobern kann, dann die Bretagne und schließlich die Normandie. Sie hofft auf Unterstützung der dortigen Heiden. Ich glaube, sie hofft vergebens.«
Ihr war es gleich, was Hawisa hoffte. Sie wollte doch nichts weiter, als dass ihr Kind leben durfte.
»Ich verstehe nicht, was sie antreibt«, stammelte sie. »Ganz gleich, was sie und ihre Schwester entzweit hat, Alanus Schiefbart ist ihr Neffe und somit ihr Fleisch und Blut.«
Der Mönch lächelte kraftlos. »Er ist ihr viel zu fromm. Jehan, der Abt von Landévennec, hat persönlich über seine religiöse Erziehung gewacht, und Alanus hat sie selbst im Krieg nicht vergessen. Als er einmal zurückgeschlagen auf einem Hügel Zuflucht nehmen musste und dort völlig durstig und erschöpft zusammenbrach, betete er so lange zur Jungfrau Maria, bis sich der Boden auftat und eine Quelle daraus hervorsprang.«
Warum erzählte er ihr das? Um zu beweisen, dass ihm die lange Sklaverei nicht sämtlichen Glauben ausgetrieben hatte, dass es auch in ihm noch Hoffnung auf die Stärke Gottes und die Gnade der Jungfrau gab?
Sie brauchte keine Quelle. Sie brauchte Freiheit.
»Alanus ist bei König Athelstan aufgewachsen«, fuhr der Mönch fort. »Viele meiner Gemeinschaft sind auch dorthin ins Exil gegangen. Ich hätte mich ihnen anschließen sollen … dann wäre mir das alles erspart geblieben.«
Mathilda erhob sich. Sie wusste, dass es klug war, sich die Gelegenheit nicht entgehen zu lassen, mehr über Hawisa zu erfahren.
»Wie … wie ist Hawisa in Rögnvaldrs Hände geraten?«
»Als er die Bretagne heimsuchte, eroberte er die Burg, in der Hawisa Zuflucht gesucht hatte.« Er hielt einen Moment inne, suchte ihren Blick. »Sie war ihm hilflos ausgeliefert.« Der Mönch lachte wieder – diesmal nicht kraftlos, sondern schadenfroh.
»Sie ist von ihm geschändet worden«, murmelte sie.
»Nun, als er erfuhr, wer sie war, hat er sie immerhin nicht seinen Männern überlassen, sondern sie zu seiner Konkubine gemacht …«
Mathilda erschauderte.
Dein Vater hat deiner Mutter Schreckliches angetan.
»Sie hatte nur eine Wahl«, sagte sie. »Sich anzupassen und sich ihm zu unterwerfen oder sich zu widersetzen und darob zugrunde zu gehen. Sie hat sich für das Leben entschieden.«
»Vor die gleiche Wahl stellt sie auch dich. Und wenn du klug bist, wirst du wie sie …«
Der Mönch wollte fortfahren, aber verstummte, als er ein Geräusch vernahm. Schritte. Erneut wurde das Holzbrett gelöst, das den Eingang zur Höhle verschloss, und eine schmale Gestalt erschien. Hawisa.
»Was machst du
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