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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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genommen. Sie tat es jetzt und erkannte, dass jener Wall ärmlich war und nicht sonderlich viele Männer beherbergte, die dazu taugten, in den Krieg zu ziehen.
    »Aber Alanus Schiefbart …«, setzte sie an.
    »Ja, ja, ich weiß, was du denkst«, fiel Hawisa ihr mürrisch ins Wort. »Alanus Schiefbart ist nicht so leicht vom Thron zu verjagen. Doch die Menschen hier im Cotentin wollen unabhängig sein und sich weder von Rouen noch von Nantes gängeln lassen. Sie lieben die Freiheit – und mithilfe der Heiden aus Irland und Dänemark, vor allem aber mit unserer Hilfe können sie sie erlangen. Und wenn erst einmal das Cotentin unser ist, dann können wir alles daran setzen, die Bretagne zurückzuerobern, irgendwann vielleicht sogar die Normandie. Und du … du wirst die Königin von diesem Reich sein.«
    Hawisa hob ihre Hände und legte sie fest auf Mathildas Schultern – das erste Mal, dass sie sie berührte. Jene Geste war jedoch nicht von Zärtlichkeit geboren, nicht von lange unterdrückter Sehnsucht nach der verlorenen Tochter, sondern von Herrschsucht und Wahn.
    Mathilda erschauderte. »Aber ich bin doch nur eine Frau! Meine Ansprüche auf dieses Land, so ich sie denn stellen würde, hätten nie gleiches Gewicht wie die des männlichen Erben!«
    Hawisas Finger krallten sich in ihr Fleisch. Sie fühlten sich wie Klauen an. »Eben! Und deshalb brauchst du den richtigen Ehemann an deiner Seite – jemanden wie Hasculf. Er ist ein Neffe Rögnvaldrs.«
    Mathilda konnte ihr Entsetzen nicht länger bezähmen und riss sich los. »Nie und nimmer!«, schrie sie. »Ich dachte jahrelang, er wollte mich töten – und nun soll ich ihn heiraten! Das tue ich nicht! Du kannst doch nicht bestimmen, wie ich zu leben und was ich anzustreben habe.«
    »Ich musste das alles auch mit mir machen lassen.«
    Da war es endlich – ein Beben in der Stimme, das zeigte, dass hinter dem Wahn schmerzliche Gefühle lauerten und hinter Sturheit und Machtbesessenheit leidvolle Erinnerungen. Ein Zeichen auch, dass Mathilda mit ihrer Ahnung richtiglag: Rögnvaldr musste die Tochter Alanus des Großen mit Gewalt zu seiner Konkubine gemacht haben. Er hatte ihren Willen gebrochen.
    »Warum willst du Rögnvaldrs Erbe unbedingt am Leben erhalten?«
    »Weil ich ihn geliebt habe!«, geiferte Hawisa. »Weil er so viel stärker war als Mathedoi!«
    Und weil es, dachte Mathilda, unerträglich war, dass ihre Schwester das bessere Los gezogen, dass sie den bretonischen Mann bekommen und ihm einen Sohn geboren hatte, dass sie dessen Herrschaft miterlebte, während sie, Hawisa, von einem Nordmann geschändet worden war, nur eine Tochter hatte und eine Heimatlose und Vertriebene war.
    Mathilda schüttelte den Kopf. Zu verstehen, welche Verzweiflung die andere antrieb, hieß nicht, sich nicht vor ihr zu fürchten.
    »Aber es ist nicht möglich …«
    »Alles ist möglich, wenn man es nur will.«
    »Ich will Hasculf nicht!«, rief Mathilda, obwohl sie ahnte, dass es klüger wäre, zu schweigen.
    »Ich bin deine Mutter, ich entscheide darüber!«
    Nein, wollte Mathilda am liebsten schreien, nein, du bist nicht meine Mutter. Eine solche würde das verlorene Kind in die Arme schließen und nie wieder loslassen.
    Sie schüttelte den Kopf und wich noch weiter zurück, als Hawisa erneut die Hände hob.
    »Fass mich nicht an!«, zischte Mathilda.
    Sie hatte Angst, dass die andere sie schlagen würde, doch stattdessen trat ein nachsichtiges Lächeln auf ihre Lippen. Es setzte Mathilda noch mehr zu, als eine Ohrfeige es getan hätte, so falsch wie es wirkte und so wenig es darüber hinwegtäuschen konnte, dass von dieser Frau keine Gnade zu erwarten stand.
    »Du bist müde nach allem, was geschehen ist. Du hast so viel Neues erfahren. Wenn du erst einmal darüber nachgedacht hast, wirst du tun, was ich von dir erwarte.«
    Man hatte sie allein gelassen. Ohne Zweifel war sie eine Gefangene, aber sie sollte sich wohl nicht als solche fühlen, vielmehr als Gast, dem man ein eigenes Zimmer bot, zwar einfach, aber sauber und mit einem Strohsack ausgestattet, auf dem sie schlafen konnte.
    Nun, sie wollte nicht schlafen, und am liebsten hätte sie auch nichts gegessen, sondern alles abgelehnt, was von Hawisa kam, gleich so, als müsste sie dann ihre Worte nicht an sich heranlassen, könnte vielmehr so tun, als hätte sie sie nie gehört.
    Natürlich wusste sie, dass sie sich selbst belog. Die Worte wüteten in ihrem Kopf, drehten sich dort immerzu im Kreis. Und natürlich wusste

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