Kinder des Feuers
niederzulegen, und hatte Wilhelms einstige Getreue um sich versammelt, um den König friedvoll zu empfangen. Richards Flucht, so behauptete er, sei der wahnwitzige Plan einiger weniger Verräter gewesen, den er, Bernhard der Däne, niemals unterstützt habe. Schließlich sei Richard noch ein Kind, König Ludwig hingegen ein Mann – und nur Letzteren könne er als Herrscher akzeptieren.
Arvid konnte sich vorstellen, wie laut die normannischen Krieger ob solch feigem Kleinbeigeben gemurrt hatten, doch Bernhard war es irgendwie gelungen, sie im Zaum zu halten und auch die Bischöfe und Mönche darauf einzuschwören, sein Spiel zu unterstützen. Dieses war ein falsches, die vermeintliche Unterwerfung nur eine geheuchelte. Während Ludwig mit seinen Männern in die Stadt einzog und von der Bevölkerung vermeintlich bejubelt und als Retter gefeiert wurde, arbeitete Bernhard an seinem geheimen Plan: Ludwig in Sicherheit zu wiegen, aber weiterhin alles für Richards Rückkehr zu tun.
Auf Ludwigs Prozession durch die Stadt folgte ein Abendessen. Bernhard ließ die köstlichsten Speisen auftragen und beteuerte dem gut gesättigten König immer wieder, dass Osmond hinter seinem Rücken gehandelt habe, als er Richard nach Senlis entführte. Zugleich nutzte er die vertraute Atmosphäre für seine erste Intrige.
»Eins verstehe ich nicht«, so hatte er gesagt, »die Normandie unterwirft sich Euch gern, für die Menschen hier seid Ihr ihr König. Warum nur habt Ihr einen Teil des Landes an Hugo abgetreten – nämlich die Gegend um Bayeux? Die Menschen würden Euch dort genauso feierlich empfangen wie hier.«
Bernhard war gerissen, Ludwig vielleicht einfach nur zu eitel. Er genoss Schmeicheleien und Ehrerbietung zu sehr, als dass er Bernhards Absicht, gezielt einen Keil zwischen ihn und Hugo zu treiben, entlarvte. Schon am nächsten Tage schickte Ludwig den Befehl an Hugo, die Belagerung von Bayeux sofort aufzugeben, da er mit den Normannen Frieden geschlossen habe. Und Hugo, der nicht riskieren wollte, gegen Ludwig in den Krieg zu ziehen, schwor zwar insgeheim Rache, aber fügte sich fürs Erste dem fränkischen König.
All diese Neuigkeiten hatte Arvid in Pˆıtres und in Rouen vernommen. So war es immer schwerer geworden, sich frei in einem Land zu bewegen, das von Ludwigs Kriegern wie von Heuschrecken heimgesucht wurde.
Bei seinem letzten Besuch in Pˆıtres war allerdings auch über etwas anderes gesprochen worden als nur über Bernhards Plan, Ludwig gegenüber vermeintlich nachzugeben, aber heimlich an der Rebellion zu arbeiten.
»Mathilda hat doch einst in einem Kloster an der Küste gelebt«, hatte Sprota gesagt. »Ich kann mir zwar nicht erklären, warum sie das getan haben sollte, aber vielleicht ist sie dorthin zurückgekehrt.«
Arvid glaubte es nicht, aber jenes Kloster war ein Ort, wo er noch nicht nach ihr gesucht hatte, und allein das gab ihm neuen Auftrieb. Nun war er nicht mehr weit von der Küste entfernt.
Er lauschte wieder, hörte nichts und wagte, aus seinem Versteck hervorzutreten. Der Regen hatte nachgelassen, die Luft war klarer geworden. Arvid schüttelte den Kopf so heftig, dass ihm das feuchte Haar ins Gesicht klatschte. Es war länger geworden, die Tonsur nicht mehr zu erkennen.
Arvid blickte auf die schlammbedeckte Straße, sah weder von der einen noch der anderen Richtung Reiter nahen, doch hinter ihm ertönte plötzlich das Knacken von Ästen.
Vielleicht ist es nur ein Tier, dachte er noch, dann drehte er sich um. Doch kein Tier, so musste er schon im nächsten Augenblick erkennen, würde ihm ein kaltes Messer an den Hals legen.
»Keine Bewegung!«, zischte eine Stimme.
Ihm wurde gerade so viel Bewegungsfreiheit gelassen, dass er sich langsam umdrehen konnte. Der Mann, der ihn bedrohte, war kleiner, aber stämmiger als er, seine Kleidung einfach, seine Haut gefurcht und seine Hände schwielig. Kurz hielt Arvid ihn für einen Räuber oder Wegelagerer, doch dann traten andere Männer aus dem Schatten der Bäume, manche mit ähnlichen Messern ausgerüstet, andere mit Waffen, die nicht die eines Kriegers waren – Sensen nämlich, mit denen man für gewöhnlich die Ernte einholte. Es mussten Bauern sein.
»Franke oder Normanne?«, fragte der, der ihn bedrohte.
Die Frage erschien ihm so lächerlich wie nie. Beides, hätte er am liebsten gesagt. Aber damit würde er wohl sein Todesurteil sprechen.
»Normanne«, sagte er kurz entschlossen. Offenbar war es die richtige Antwort.
Der Bauer zog
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