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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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um Mathilda. Ob sie noch mehr von ihr erwarten durfte?
    »Und nun?«, fragte Mathilda.
    Die Tränen perlten nicht über die Wangen. »Nun werde ich dir helfen.«
    Das Eisen glühte rot. Nicht mehr lange, und es würde heiß genug sein, würde seine Haut und sein Fleisch verbrennen. Arvid versuchte, sich gegen den Schmerz zu wappnen, aber er wusste, dass er das nicht konnte. Dieser Schmerz würde so gewaltig sein, dass er mit keinem je durchlittenen zu vergleichen war. Obwohl es sinnlos war, spannte er jeden Muskel an und versuchte sich zu wehren, als die Männer ihn packten und festhielten. Es waren zu viele, um etwas gegen sie auszurichten, das hatte er gleich erkannt – und hatte sich dennoch einmischen müssen, als er gesehen hatte, wie sie die alte Bäuerin zu schänden versuchten. Diese war, anders als die Bauern, die ihn hierher begleitet hatten, nicht weggerannt, sondern starrte ihn an, mitleidig und dankbar zugleich. In der Fratze des Anführers war hingegen nichts zu lesen, was Menschlichkeit verhieß, als er das Eisen hob und gemächlich auf ihn zutrat.
    »Erzähl uns alles, was du weißt.«
    Arvid wurde der Mund trocken. Weder konnte er seinen Blick vom glühenden Eisen lösen noch seine Zunge im Zaum halten. Er sprach schnell und viel, wenngleich es noch harmlose Informationen waren, die er preisgab – Tatsachen, die alle Welt wusste: Wo Richard sich zurzeit aufhielt und wer ihm bei der Flucht geholfen hatte. Aber er ahnte – bald würde er auch Dinge verraten, die unbedingt geheim bleiben mussten. Dass Bernhard der Däne auf Zeit spielte, dass seine Unterwerfung nur eine vermeintliche war, dass er Ludwig am liebsten aus dem Land jagen würde.
    Brocard hielt das Eisen ganz dicht vor sein Gesicht. Ja, er würde die Wahrheit aus ihm herausbrennen. Wenn sein Fleisch erst mal schwarz und stinkend klaffte, würde alles, was er wusste, nackt und bloß vor dem Feind liegen. Offen war nur, wie lange sein Stolz reichen würde, dem glühend heißen Eisen zu trotzen, dem Schmerz standzuhalten.
    Er war kein Krieger, dem man diesen Stolz mit harter Erziehung eingebläut hatte. Er war nicht einmal ein Mönch, dem das Wohl anderer wichtiger als das eigene Leben war. Er war nur ein Mann, der Schmerzen fürchtete und der um Gnade winselte.
    »Nein«, hörte er sich schreien, »nein! Tut das nicht! Ich bin nicht euer Feind … meine Mutter … sie war eine Fränkin wie ihr Franken seid. Keine gewöhnliche Fränkin, sondern …«
    Er brach ab. Irgendetwas in ihm wusste – es hatte keinen Sinn zu flehen. Und irgendetwas in ihm weigerte sich, sich noch weiter zu erniedrigen. Vielleicht war es das Erbe seines Vaters, der in gleicher Lage seinen Widersachern getrotzt hätte – nicht weil er stark und stolz war, sondern so wahnsinnig, Schmerzen nicht zu scheuen, und der sich, wenn man ihm Qualen zufügte, lebendiger fühlte, als wenn man ihm eine Wohltat erwies. Erstmals erschreckte Arvid der Gedanke nicht, Sohn eines solchen Vaters zu sein. Was da in seinen Adern floss, war keine feindselige Macht, sondern beschützte ihn vor Panik, raunte ihm zu: Weine nicht, weil die Menschen schlecht sind. Lache über sie.
    Anspannung und Angst ließen ihn tatsächlich in Lachen ausbrechen, er lachte lauter und schriller, als er je gelacht hatte. Brocard ließ das Eisen sinken und hieb ihm stattdessen die Faust ins Gesicht. Er glaubte, seine Haut platzen zu fühlen, seine Knochen bersten, sein Blut spritzen. Aber er lachte in einem fort, übertönte damit Brocards zornige Fragen, übertönte die Stimmen der anderen Männer – nur das Pferdegetrappel, das plötzlich zu hören war, übertönte er nicht.
    Er wollte der Hoffnung nicht trauen, dass Rettung nahte. Doch die Pferde kamen näher, und die Griffe der Männer, die ihn festhielten, lockerten sich. Der rote Schleier vor seinen Augen zerriss, der Schmerz ließ nach und wandelte sich zu Schwindel. Er spuckte Blut und sah, dass die Reiter, die gekommen waren, keine Franken waren, sondern Normannen.
    Erst jetzt gewahrte er, dass man ihn losgelassen hatte, er zu Boden gesunken war und dass seine Beinkleider nass waren. Nicht, weil er in eine der Pfützen, die der Regen hinterlassen hatte, gefallen war, sondern weil sich vor Todesfurcht seine Blase geleert hatte.
    Er lachte nicht mehr, sondern fühlte sich einfach nur erbärmlich – umso mehr, als er einen der Reiter erkannte. Es war ein Krieger aus Graf Wilhelms Gefolge. Johan. Vage erinnerte er sich daran, dass er sich mit ihm einst

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