Kinder des Feuers
»Halt den Mund!«, fuhr er sie an.
Sie konnte nicht aufhören, selbst jenes Gift zu versprühen, das sie in den letzten Tagen so oft getroffen hatte. »Sie ist doch nur eine Frau«, lästerte sie. »Für dich als Krieger muss es schlimm gewesen sein, sich von ihr demütigen zu lassen. Ich begreife nicht, warum du ihr so ergeben bist.«
Sie sah seine Kiefer mahlen, aber er ließ nicht zu, dass sie noch länger an seinem Ehrgefühl kratzte. »Du wirst mir auch ergeben sein«, drohte er, »du wirst dich mir nicht widersetzen … bald bist du meine Frau …«
Mathilda wandte sich ab. Das Vergnügen, ihm zuzusetzen, schwand. Als sie hörte, wie seine Schritte sich entfernten, sank alle ihre Hoffnung. Er hatte Recht, sie konnte sich ihm nicht widersetzen. Sie konnte nicht entkommen. Sie konnte Arvids Kind nicht schützen.
Sie beugte sich über die Brüstung und starrte in die Tiefe, ein bedrohlicher Anblick und zugleich ein verheißungsvoller. Wenn sie sich fallen ließe, sie würde auf den spitzen Steinen zerschmettern. Das Meer würde sie wegspülen, und niemand könnte ihr und dem Kind mehr ein Leid zufügen.
Doch zugleich würde niemand je erfahren, dass es das Kind überhaupt gegeben hatte, und dieser Gedanke erschreckte sie mehr als der Gedanke an den eigenen Tod.
Sie fuhr zurück – just als hinter ihr Schritte ertönten, viel leiser als die von Hasculf, von einem zarteren, kleineren Menschen kündend. Sie fuhr herum, erwartete den Mönch zu sehen und blickte stattdessen in das gefurchte Gesicht einer alten Frau.
Dieses Gesicht war ihr fremd – die Stimme, die zu ihr sprach, war es nicht.
»Mathilda«, sagte die Frau, »erinnerst du dich an mich, Mathilda?«
Sie erstarrte. Es war die Stimme aus den Erinnerungen, die Stimme aus den Träumen, die Stimme, die zu ihr gesagt hatte, dass ihr Vater der Mutter Schreckliches angetan habe.
»Wer bist du?«, fragte Mathilda.
Die Frau trat auf sie zu und umfasste ihre Hand. Ihre Haut war warm, der Händedruck tröstlich.
»Ich kenne deine Mutter von Kindheit an. Ich war ihre langjährige Gefährtin, die sie nie im Stich gelassen hat.«
»Wie heißt du?«
»Eirinn. Ich bin entfernt mit ihr verwandt und habe alles miterlebt … genauso wie Cadha.«
»Mauras Mutter«, murmelte Mathilda.
»Ja, wir drei Frauen haben gemeinsam gezittert, als Rögnvaldr die Burg stürmte. Deine Mutter hat sich später ganz und gar auf seine Seite geschlagen. Cadha hingegen, die ebenfalls von einem seiner Männer geschändet worden ist und ein Kind geboren hat, hat die Nordmänner fortan glühend gehasst – und folglich auch dich. Und ich – nun, ich konnte mich als Einzige rechtzeitig verstecken. Ich habe mir immer Sorgen um deine Mutter gemacht. Ich habe mir auch Sorgen um dich gemacht. Ich wollte doch dein Bestes.«
Ihre Stimme zitterte.
»Willst du das immer noch?«, fragte Mathilda.
Zu ihrer Überraschung wurde Eirinns Händedruck noch fester. Trauer sprach aus den nächsten Worten, aber auch Entschlossenheit.
»Ich war dabei, als du geboren worden bist. Cadha hat dich gestillt, aber ich habe dich umsorgt. Und ich habe geweint, als man dich ins Kloster brachte. Deine Mutter hatte längst keine Tränen mehr.« Sie hielt inne und fuhr dann fort: »Hawisa denkt, dass du wieder heil machen musst, was in ihrem Leben zerstört wurde.«
»Und was denkst du?«, fragte Mathilda, und ihr Blick schweifte wieder über den Wald – den Wald, durch den sie fliehen musste, um zurück zu Arvid zu gelangen.
»Ich denke, dass ihr verbissener Wunsch auf Heilung nur neue Zerstörung bringt. Manche Wunden hören niemals auf zu schmerzen. Man muss mit ihnen leben lernen.«
»Die Blumenwiese«, murmelte Mathilda, »ich kann mich an eine Blumenwiese erinnern am Meer. Kennst du den Ort?«
Eirinn nickte. »Es ist ein Ort im Westen – eine Landzunge, die tief ins Meer hineinragt. Rögnvaldr ist dort seinerzeit an Land gegangen und kehrte immer wieder dorthin zurück. Er mochte den Ort.«
»Und meine Mutter – mochte sie ihn auch?«
»Wer seinen Hass so lange leugnet, bis eine verlogene Liebe draus geworden ist, kann nichts und niemanden von Herzen mögen. Sie behauptet anderes, aber ich denke mir, dass ihr weder am Land, um das sie kämpft, noch an der Tochter, die sie jahrelang gesucht hat, wirklich etwas liegt. Ihr Wille ist stark und ihr Trotz beständig, aber ihre Seele ist damals erkaltet.«
Tränen glitzerten in Eirinns Augen – Tränen, die sie damals wie heute um Hawisa weinte. Und
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