Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
Vom Netzwerk:
geprügelt hatte und dieser ihn seitdem hasste. In diesem Augenblick zählte das allerdings nicht, denn Johan hasste die Franken noch mehr.
    »Was geht hier vor?«, brüllte er.
    Brocard maß ihn finster. »Macht euch nicht unglücklich und mischt euch nicht ein! Ihr habt in diesem Land sämtliche Macht verloren.«
    »Was das Land als Ganzes betrifft, mag es so sein«, hielt Johan ihm entgegen. »Aber hier auf diesem Bauernhof ist es augenscheinlich, dass ich mehr Männer habe als du.«
    »Torta regiert das Land. Wenn er erfährt, dass du …«
    »Wenn ihr alle tot seid, wird er es nicht erfahren.«
    Johan hob die Hand, und seine Männer zogen ihre Schwerter. Kaum einen Wimpernschlag später taten es die Brocards gleich. Niemand regte sich mehr, ein jeder wartete, dass der Feind zuerst angriff.
    Wenn das geschieht, dachte Arvid erschaudernd, wird es in einem schrecklichen Gemetzel enden.
    Was immer ihm zuvor die Macht verliehen hatte, zu lachen, zurück war nur der nackte Drang geblieben, sein Leben zu schützen. Er duckte sich, lief mit seinen nassen Beinkleidern zu der Bäuerin. Von ihr kam keine Hilfe, aber an der Seite eines Menschen, der wie er vor Angst verging, fühlte er sich ein wenig sicherer.
    Die Bäuerin starrte ihn aus ihren leeren Augen an und zog ihren zerrissenen Kittel enger über dem faltigen Körper zusammen. »Danke«, sagte sie.
    Arvid sah in ihr Gesicht und zugleich in die geschundene Seele eines Landes, in dem sich ein jeder so viel schneller als Feind herausstellte denn als Freund.
    »Danke«, sagte sie wieder.
    Plötzlich verharrten Rudolf Tortas Krieger nicht länger. Sie stießen zwar Flüche und Beleidigungen aus, stiegen dann jedoch auf ihre Pferde und gaben ihnen die Sporen. Sie hatten wohl eingesehen, dass es keinen Sinn hatte, sich gegen die Übermacht zu stellen. Erst als sie weggeritten waren, sah Arvid, dass sie das Stück Eisen achtlos zurückgelassen hatten. Es lag auf dem Boden und glühte nicht mehr. Sah man von den Blessuren des Faustschlags ab, war seine Haut heil geblieben.
    Die Bäuerin sank auf ihre Knie, und Arvid hätte es ihr am liebsten gleichgetan. Allein Johans forschender Blick hielt ihn davon ab. Ob er sah, dass seine Beinkleider nass waren?
    »Ihr seid im letzten Moment gekommen …«, stammelte er.
    »Ja, sonst hättest du womöglich noch etwas von Bernhards Plänen verraten«, zischte Johan. Nun, da die Franken fort waren, loderte sein Hass auf Arvid wieder auf, doch er sah wohl ein, dass es nicht die rechte Zeit war, ihm nachzugeben. »Wir müssen schleunigst fort von hier.«
    »Aber ich muss doch …«
    Arvid wandte sich von Johan ab und eilte zu der Bäuerin.
    »Mathilda … ich suche eine Frau namens Mathilda.« Die Angst vor Schmerz und Tod hatte seine Kehle so sehr zusammengeschnürt, dass seine Stimme krächzte, als er zu erklären fortfuhr, was ihn in diese einsame Gegend trieb.
    Aus der Dankbarkeit der Bäuerin wurde Mitleid. »Mein Mann und ich boten einer Frau, wie du sie beschreibst und die Mathilda heißt, einmal Unterkunft. Aber das ist lange her …«
    Hätte das glühende Eisen auf nackter Haut ihm mehr Schmerz zufügen können als das Zerplatzen der Hoffnung, die die ersten Worte schürten, aber die letzten zunichtemachten?
    »Sie war also hier«, flüsterte er, blickte sich um und sah den Hof mit neuen Augen. Hier war sie gegangen, hier hatte sie gesprochen, hier hatte sie geatmet …
    Doch da waren keine Spuren mehr, die von ihr kündeten. Nirgendwo gab es die, nur in seinem Herzen.
    »Willst du hier Wurzeln schlagen?«, knurrte Johan ungeduldig.
    Arvid ließ ein letztes Mal den Blick kreisen. Dass es ihn an einen Ort verschlagen hatte, wo sie einst Unterschlupf gefunden hatte – war das nicht ein Wunder, das auf ein weiteres hoffen ließ? Darauf nämlich, eines Tages zur gleichen Zeit an gleicher Stelle aufzutauchen?
    Vielleicht war es aber kein Wunder, nur ein Zufall, und ein solcher zu unberechenbar und selten, um darauf zu setzen.
    »Ich muss unbedingt zum Kloster Sainte-Radegonde«, sagte.
    »Den Teufel musst du!«, rief Johan erbost. »Überall lauern hier Tortas Männer. Wenn du ihnen noch einmal in die Hände fällst, werden sie dich zwingen, alle Geheimnisse auszuplaudern.«
    Dem konnte Arvid nicht widersprechen.
    »Wie … wie ist die Lage in Rouen?«, fragte er, um abzulenken.
    »Bestürzend, ganz bestürzend. Die Normannen werden schrecklich drangsaliert. Einer der Franken hat sogar versucht, sich an Bernhards Gattin zu

Weitere Kostenlose Bücher