Kinder des Feuers
vergreifen. Sie musste mit ihrem Sohn Torf über das Meer nach Dänemark fliehen, um ihm zu entgehen.«
»Wie kann König Ludwig das nur zulassen?«
»Pah! Bernhard hat sich bei ihm beschwert, doch er tut nichts, um Tortas Macht ein wenig einzuschränken.«
»Und wie soll es nun weitergehen?«
»Bernhard hat neue Pläne … aber die soll er dir selbst anvertrauen. Komm mit uns.«
Seine Stimme troff vor Verachtung, von der Arvid nicht recht sagen konnte, ob sie wirklich nur daher rührte, dass er sich einst mit ihm geprügelt hatte. Der Hass schien nicht verjährt, sondern frisch, als hätte er ihn damals nicht nur angegriffen, sondern schwer gedemütigt.
Doch er war plötzlich zu erschöpft, um darüber nachzudenken. Er schwang sich auf sein Pferd und ergab sich der Einsicht, dass er Mathilda niemals retten konnte, wenn er von Tortas Männern gefoltert und ermordet wurde.
Ein letzter Blick traf die Bäuerin – die Frau, die einst mit Mathilda gesprochen, sie vielleicht berührt, ihr zu essen gegeben hatte. Er konnte ihr nichts Tröstliches sagen. Heute war sie der Gefahr entgangen, morgen konnte eine neue heraufziehen. Er wusste das, und sie wusste das auch.
Johan hingegen, bislang blind für die einfachen Leute, rief ihnen über die Schulter zu: »Haltet noch ein wenig durch! Eine große Schlacht steht bevor, und sie wird die Entscheidung bringen.«
Drei Tage waren sie unterwegs, was weniger an der weiten Wegstrecke lag, sondern daran, dass sie sich immer wieder verstecken und lange rasten mussten. Normannischen Kriegern war mittlerweile verboten, Waffen zu tragen. Würden sie von einer Übermacht an Franken gestellt, verlören sie diese – und ihr Leben obendrein. Das war das wenige, was Johan ihm sagte. Ansonsten gab er sich verschwiegen.
Arvid bedrängte ihn, um mehr von der großen Entscheidungsschlacht zu erfahren, die er Ingeltrude gegenüber erwähnt hatte – doch er äußerte sich nicht dazu. Bis zuletzt schob er es überdies auf, ihm mitzuteilen, dass nicht Rouen ihr Ziel war, sondern eine sehr einsam gelegene Burg.
»Bernhard ist hier?«, fragte Arvid erstaunt.
»Es blieb ihm gar keine andere Wahl, schließlich hat Rudolf Torta seinen Palast in Rouen besetzt. Nachdem obendrein seine Frau und sein Sohn geflohen waren, hielt Bernhard nichts mehr dort.«
Arvid blickte sich um. Er konnte nicht recht einschätzen, wie weit sie von der Küste entfernt waren und ob jene Burg im Westen oder Osten der Normandie lag. Er stellte Johan jedoch keine Fragen mehr, er dankte ihm auch nicht für die Rettung seines Lebens. Er war sich sicher, dass Johan nur eingegriffen hatte, weil er den anderen Kriegern nicht hätte erklären können, warum er einen Normannen seinem Schicksal überlassen wollte, und weil er hatte verhindern müssen, dass Arvid Geheimnisse ausplauderte.
Als Arvid den Saal der Burg betrat, diskutierte Bernhard erregt mit einer Gruppe Männer, die er nicht kannte, und es fielen Namen von Orten und Menschen, die Arvid genauso fremd waren.
Bernhard sprach ihn gleich an, als er seiner ansichtig wurde. »Gut, dass du hier bist.«
Wider besseres Wissen konnte Arvid sich nicht mit der Frage zurückhalten, ob Bernhard irgendetwas von Mathilda gehört hatte.
Bernhard machte sich nicht einmal die Mühe, zu antworten. »Unsere letzte Hoffnung sind die Heiden.«
Fragend blickte Arvid ihn an.
Bernhard deutete auf eine Schriftrolle, die ihn offenbar erst vor kurzem erreicht hatte. »Die Flotte ankert schon vor Cherbourg.«
»Welche Flotte?«
»Die von Harald Blauzahn. Dank des Nordwestwindes ist er rasch vorangekommen. Wenn alles gut geht, wird er demnächst an Land gehen, wahrscheinlich in der Nähe der Salinen von Carbon, dort, wo die Dives mündet.«
Harald Blauzahn? Meinte er den Sohn des dänischen Königs?
Seine Verwirrung wuchs, und diesmal war Bernhard bereit, ihm die Lage etwas ausführlicher zu erklären.
»Während ich Ludwig gegenüber den treuen Vasallen mimte, habe ich heimlich Truppen aufgestellt. Ich verfüge über zu wenige Männer, um gegen die Franken etwas auszurichten, aber wenn sie sich mit Haralds Kriegern vereinen, können wir Ludwig schlagen.«
Er wirkte erregter als sonst, zugleich aber auch verdrießlich. Dieser Plan war zu riskant, um von einem, der eigentlich lieber auf Ränke setzte als auf Waffengewalt, vorbehaltlos bejaht zu werden.
Arvid rief sich ins Gedächtnis, was er von Harald Blauzahn wusste. Es war nicht sonderlich viel, nur, dass sein Vater Gorm
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