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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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die Namen der wichtigsten Diözesen: Rouen, Avranches, Lisieux, Évreux, Bayeux.
    »Rollo bekam zunächst das Gebiet zwischen Bresle, Epte, Avre und Dives. Später kam das Bessin hinzu, das Land rund um Bayeux und Maine. Und zuletzt das Cotentin. In manchen Gebieten haben sich vor allem Menschen aus Norvegur angesiedelt, in anderen Dänen. Beide haben sich fränkische Frauen genommen oder ihre Töchter fränkischen Männern gegeben. Die nordische Sprache hört man kaum noch, nur das Aussehen der Menschen erinnert an die Herkunft. Die Norweger sind groß und dunkel, die Dänen nicht ganz so groß, aber blond. Rund um Fécamp leben vor allem Dänen.«
    Mathilda fiel ein, dass im Kloster einst über dänische Priester getuschelt wurde. Obwohl getauft und geweiht, konnten sie ihr Blut nicht leugnen und frönten dem Waffenhandwerk und dem Konkubinat. Nun gut, es gab auch fränkische Priester, die beides taten – doch bei ihnen war es Zeichen sittlicher Schwäche, nicht verdorbenen, heidnischen Bluts, das in den Adern floss. Zumindest hatten die Nonnen das behauptet. Als die dänischen Priester aufgefordert wurden, von einem Laster zu lassen, hatten sie lieber die Waffen niedergelegt, als die Finger von den Frauen zu lassen.
    Kurz überlegte Mathilda, Arvid zu fragen, ob jene Geschichte wahr war, aber sie fand es zu peinlich, mit einem Mann über Konkubinen zu sprechen – sündige, gottlose Frauen.
    »In Fécamp«, sagte sie, »in Fécamp gibt es doch Klöster, nicht wahr? Auch eine Gemeinschaft von Frauen, wo ich Zuflucht finden kann?«
    Arvid zuckte die Schultern. »Wir werden sehen. Fürs Erste zählt, dass wir aus dem Wald finden.«
    Er setzte ihre Füße ab und zog sie hoch. Die Schmerzen kamen bald zurück, und um sich abzulenken, betete Mathilda Psalmen. Arvid stimmte mit ein. Er hielt immer noch ihre Hand.
    Der Wald war Hasculfs Verbündeter und zugleich sein Feind. Es gab nicht viele brauchbare Wege durch das Dickicht, und deshalb war leicht zu erahnen, welchen die beiden genommen hatten. Doch das Rauschen des Windes, die Laute der Tiere und das Knacken von morschem Geäst lockten sie immer wieder in die falsche Richtung. Im feuchten Moos und im Schlamm waren keine Spuren auszumachen, und manchmal standen die Baumstämme so dicht nebeneinander, dass mit den Pferden kein Durchkommen war und sie einen Umweg wählen mussten.
    Hasculf hatte schließlich entschieden, die Gruppe der Männer, die er anführte, aufzuteilen. Bestenfalls würden sie die Flüchtigen von zwei Seiten einkesseln. Schlimmstenfalls würden sie in diesem Dickicht nie wieder zusammenfinden.
    Die Männer, die bei ihm geblieben waren, waren schweigsam. Nur das Schnauben und Hufgetrampel der Tiere war zu hören – und schließlich ein Aufschrei aus seinem Mund. Seit Stunden waren sie auf keine menschlichen Spuren mehr gestoßen, doch in der Lichtung vor ihnen erblickte er eine erloschene Feuerstelle.
    Hasculf sprang vom Pferd, kniete sich darüber und stocherte in der Asche. Es war kein Glosen mehr zu erahnen, aber die Asche war noch nicht mit Raureif überzogen wie die Blätter und Äste der Bäume.
    »Sie können nicht weit sein«, stellte er fest.
    Die Männer waren auf ihren Pferden sitzen geblieben, nur einer gesellte sich zu ihm – von allen der jüngste. Sechzehn, siebzehn Jahre mochte er zählen. In der Zeit, da sie noch Helden gewesen waren, war er zu klein gewesen, ein Schwert zu halten. Die Waffenkunst hatte er erst später und als einer erlernt, den man aus dem eroberten Land verjagen wollte und der darum wie sie alle ein Verfolgter war. Doch obwohl er die ruhmreichen Zeiten nicht erlebt hatte, stand ihm kindlicher, unschuldiger Eifer im Gesicht geschrieben, jener naive Glaube auch, dass man nur lange genug Strapazen auf sich zu nehmen hatte, um hinterher ein gestählter Krieger zu sein, der den Göttern gefiel. Er hatte noch nicht gelernt, dass die Götter die Menschen benutzten, sie aber nicht sonderlich mochten – ganz gleich, welche Opfer sie brachten.
    »Warum … warum ist es so wichtig, diese Mathilda aufzuspüren?«, fragte er nun. Trotz der vielen Tage im finsteren Wald war sein Geist nicht abgestumpft. Er hatte sich nicht nur die Leichtgläubigkeit bewahrt, sondern auch die Neugier.
    Hasculfs Kiefer mahlten. Ganz am Anfang, als Hawisa zum ersten Mal von ihr gesprochen hatte, hatte er sich das selbst auch gefragt. Doch mittlerweile zweifelte er nicht mehr am Sinn seiner Mission.
    »Du weißt doch, wer sie in Wahrheit ist«,

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