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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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ließ.
    »Und wer ist dieser fränkische Graf?«, ließ Mathilda sich dennoch zu fragen herab.
    Gerloc entging der giftige Tonfall in ihrer Stimme. »Nun, zunächst hätte eigentlich mein Bruder heiraten sollen – und zwar eine Tochter von Herbert von Vermandois, du weißt schon, ein einflussreicher Nachbar im Westen unseres Landes.«
    »Wilhelm soll heiraten?«, fragte Mathilda, und obwohl sie es eigentlich guthieß, wenn er einen von Gott gesegneten Bund schloss, anstatt weiterhin mit seiner Konkubine zu freveln, musste sie voller Mitleid an Sprota denken.
    »So war es zumindest vor einiger Zeit geplant. Doch jene Lieutgarde, die für ihn vorgesehene Braut, hat schließlich einen anderen genommen. Schade. Sie hätte Wilhelm reiche Landgüter eingebracht.«
    Mathilda fragte sich, was Sprota wohl zu diesen Eheplänen gesagt hatte. In den letzten Jahren hatte sie nie angedeutet, dass sie selbst Wilhelms rechtmäßige Gemahlin zu werden wünschte. Als Mathilda einmal wissen wollte, warum sie es nicht längst war, hatte Gerloc ihr erklärt, Sprota sei schlichtweg zu unbedeutend. Sie entstammte zwar einer bretonischen Adelsfamilie, doch jene hatte ihren Besitz verloren, als die Nordmänner das Land eroberten, und ihn auch nicht zurückbekommen, als Alanus Schiefbart es wiedererlangte.
    »Und was hat das mit dir zu tun?«
    »Als man eine passende Frau für meinen Bruder suchte, wurde auch darüber gesprochen, wen ich heiraten könnte. Nun steht es fest. Wenn überall der Schnee geschmolzen ist, reise ich mit Wilhelm nach Lyons-la-Forêt, und dort wird meine Verlobung stattfinden.«
    »So bald schon …«, murmelte Mathilda.
    »Ich werde dann auch nicht länger meinen normannischen Namen tragen, sondern einen fränkischen«, rief Gerloc. »Ja, Adela werde ich heißen. Und mein Verlobter ist niemand anderer als …«
    Just in diesem Augenblick bekam Mathilda einen Stoß versetzt, und ehe sie sich’s versah, wurde sie von Gerloc fortgedrängt und hörte nicht mehr, was diese sagte. Von allen Seiten schoben sich Menschen an ihr vorbei, Ellbogen rammten sich schmerzhaft in ihre Rippen. Sie kämpfte, sich aus der Menge zu befreien, stolperte über irgendeinen Fuß und fiel nur nicht, weil sie sich im letzten Moment an der Stadtmauer abstützte. Verstört blickte sie auf die roten Kratzer an ihren Händen, die sie sich am rauen Stein aufgeschürft hatte.
    »Mathilda …«, sagte plötzlich jemand.
    Sie zuckte zusammen. Wer immer da ihren Namen raunte, es war nicht Gerloc. Gerlocs Stimme war schrill und laut – sie flüsterte nie. Und Gerloc stand auch viel zu weit von ihr entfernt.
    »Mathilda …«, ertönte es wieder.
    Von wo kam die Stimme? Von wo kam die … Gefahr, die sie plötzlich fühlte? Ihre Nackenhärchen stellten sich auf, die Mauer, an der sie lehnte, schien plötzlich kalt wie der frostige Boden. Angestrengt blickte sie in die Gesichter der Vorbeieilenden, doch niemand achtete auf sie, niemand starrte sie an – obwohl sie doch so deutlich fühlte, wie sich zwei Augen in sie bohrten.
    »Mathilda …«
    Diesmal ahnte sie, von wo die Stimme kam. Sie legte den Kopf in den Nacken, starrte angestrengt nach oben zum Rundgang auf der Stadtmauer. Weit und breit war kein Mensch zu sehen, aber plötzlich ertönte ein knarzendes Geräusch, und dann fiel etwas Dunkles auf sie herab.
    Mathilda duckte sich nicht, sondern sah dem Tod furchtlos ins Gesicht. In jenem kurzen Augenblick, ehe der dunkle Gegenstand sie treffen und erschlagen würde, war keine Zeit für Feigheit, für Lügen, für den Versuch, sich etwas vorzumachen, Erinnerungen zu unterdrücken und vagen Ahnungen zu trotzen. Lediglich Bedauern regte sich in ihr.
    Ich werde sterben, ohne zu wissen, von wem ich abstamme und wer der Mann war, der mich aufgefangen hat, auf der Blumenwiese am Meer. Und ich werde sterben, ohne Arvid wiedergesehen zu haben.
    Plötzlich stand sein Gesicht ganz deutlich vor ihr, die feine Nase und die weichen Lippen, die braunen Augen, die immer etwas traurig geblickt hatten, und das gewellte Haar. Sie starrte ihn an, und in seiner Miene stand keine Scheu vor sich selbst oder vor ihr – nur tiefe Sorge und das Bedürfnis, sie zu schützen, so wie damals, als sie auf der Flucht vor ihrem Verfolger auf dem Baum gehockt oder als sie im Traum geschrien und er sie getröstet hatte.
    Arvid, dachte sie, ach, Arvid.
    Sie versank in seinem Blick und wollte mit dem Wissen sterben, dass jene Tage an seiner Seite die härtesten in ihrem Leben gewesen

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