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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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einen haben?«, fragte sie Mathilda. »Gewiss, ich würde es nicht wagen, dir einen teuren anzutragen. Ich weiß, wie bescheiden du bist. Aber sieh nur – dieser Umhang aus dem Pelz von Eichhörnchen könnte dir stehen.«
    Mathilda schüttelte den Kopf, und ehe Gerloc sie weiter bedrängte, hatte die noch etwas Faszinierenderes entdeckt.
    »Diese Hüte!«, rief sie begeistert und stürzte zum nächsten Stand. »Wie vornehm sie aussehen! Viel vornehmer als die Mützen und Kappen, wie sie die Nordmänner tragen.«
    Mathilda folgte ihr und starrte verständnislos auf die sonderliche Kopfbedeckung. Die Hüte waren spitz, vor allem aber so winzig, dass sie wohl kaum über die Ohren reichten. »Die wärmen gewiss denkbar schlecht«, sagte sie.
    »Als ob man Kleidung nur trüge, um es warm zu haben!« Gerloc lachte.
    Mathilda war kurz geneigt, zu widersprechen – aber dann verstand sie, was Gerloc meinte. Deren Eitelkeit war ihr fremd, nicht aber das Trachten, dass man mehr vom Leben fordern müsse als einen satten Magen und ein weiches Bett und dass es nicht genügte, sich durch die Tage treiben zu lassen wie jetzt durch die Menschenmenge, dass man vielmehr selbst die Richtung bestimmen musste, notfalls, indem man andere stieß und um sich trat, um sich vorbeizuzwängen. Gedankenverloren strich sie über grobe Fäustlinge aus Wolle und Filz, die am selben Stand angepriesen wurden.
    Gerloc zog Mathilda weiter zum nächsten Händler. »Dieser Umhang aus purpurnem Stoff kommt aus Friesland«, erklärte sie mit Kennermiene, »aber leider ist der Stoff nicht mit Goldfäden durchwoben.«
    Ihr Bedauern währte nicht lange. Mathilda begriff erst nicht, was Gerlocs Interesse am Nachbarstand weckte, wurden doch vor allem Alltagsgegenstände dort angeboten – Webbrettchen und Bronzebecken, Messer, Sicheln und Scheren, Spinnwirteln schließlich und Webgewichte, aber dann sah sie, dass die junge Frau einen Haarkamm aus Bernstein in die Hand genommen hatte. Sie hielt ihn erst ins Licht, sodass er golden funkelte, und steckte sich ihn dann in ihr üppiges aschblondes Haar, das lockig über ihren Rücken fiel und im Nacken nur von einem dünnen Band zusammengehalten wurde.
    »Ist er nicht wunderschön?«, rief sie.
    Sie wartete nicht auf Mathildas Zustimmung, sondern kaufte den Kamm, ohne um den Preis zu feilschen, und eilte alsbald weiter zum nächsten Stand, ohne sich an dem grunzenden Schwein zu stören, das offenbar einem Viehzüchter entkommen war und sich davor auf dem Boden suhlte.
    Sie deutete auf einen Tiegel, der mit einer blauen Paste gefüllt war. »Diese Farbe trägt man auf die Augenlider auf«, erklärte sie, »oder unter den Augen.«
    Mathilda hatte schon einmal gesehen, dass Gerloc sich bemalte, und nicht verstanden, wie ein Mensch, von Gott schließlich als dessen Ebenbild geschaffen, diesem derart ins Handwerk pfuschen konnte. Ehe sie einen entsprechenden Tadel aussprechen konnte, rief Gerloc jedoch unwillkürlich: »Ich werde mir auf der Hochzeit die Augen auch so anmalen!«
    Mathilda runzelte die Stirn. Gerloc ergab sich oft Fantasien, wie ihr künftiger Mann zu sein hatte, aber die Wahrheit war, dass sie – obwohl schon über zwanzig Jahre alt – noch mit keinem verlobt war und mit diesem Umstand nicht selten haderte. Voller Neid blickte sie auf ihre Halbschwester Kathleen – die Rollo mit einer keltischen Geliebten gezeugt hatte und die schon mit fünfzehn Jahren einen Gatten bekommen hatte.
    »Auf welcher Hochzeit?«, fragte Mathilda deshalb.
    »Nun … auf meiner natürlich.«
    »Aber … aber …«
    Gerloc wandte sich Mathilda zu, nahm ihre Hände und drückte sie fest. Ihre Augen glänzten. »Ja, denk dir! Ich werde heiraten … endlich.«
    »Aber wen denn nur?«
    »Natürlich einen fränkischen Grafen.«
    Sie ließ sie los, drehte sich einmal im Kreis, packte Mathilda dann wieder.
    Kurz wurde diese mitgerissen von Begeisterung – dann erwachte ein niederträchtiges Gefühl: Missgunst, dass die Träume der anderen sich erfüllten, während sie selbst immer noch darauf warten musste, und dass Gerloc, die nie so inbrünstig darum gebetet hatte wie sie, es doch viel weniger verdiente. Ja, was hatte sie eigentlich für ihre Ziele getan, als immer nur wiederholt, was sie sich wünschte, als immer nur ihren Lastern zu frönen – Eitelkeit und Bequemlichkeit und Selbstverliebtheit? Gewiss, es mochte schändlichere Sünden geben, aber all dies waren Eigenschaften, für die sich ganz sicher kein Lohn erhoffen

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