Kinder des Feuers
und die Augen blitzten, als hätten sie Großes geleistet. Vielleicht mussten sich Männer, die gewohnt waren, in Kämpfe und Kriege zu ziehen, das auch vormachen, damit sie, wenn sie so zahlreich zusammentrafen, nicht in Versuchung gerieten, angestaute Energien in Gewalt zu entladen.
Gerloc begleitete Wilhelm Werghaupt auf die Jagd und redete von Dingen, über die Mathilda sie noch nie hatte sprechen hören: über die Arten von Messern, mit denen man am besten das Fell abzog, und über die Lauge, mit der man dieses später zu Leder verarbeitete. Auch über Pferdewettrennen sprach sie, denn die wurden nachmittags abgehalten. Es war ein rohes Schauspiel, wie Mathilda fand – nicht nur auf die Tiere wurde mit Knüppeln eingedroschen, sondern auch auf den Gegner. Den Gewinner konnte man daran erkennen, dass er die wenigsten Blessuren hatte. Wer sich nicht auf dem Pferderücken duellierte, tat es beim Schwertkampf oder beim Lanzenwerfen. Am harmlosesten war das Vergnügen, bei dem nicht nur körperliche Stärke, sondern Geschicklichkeit gezeigt wurde – das Jonglieren. Gerloc sah begeistert zu, klatschte und schrie aufgeregt. Was genau ihre Begeisterung erweckte, wusste Mathilda nicht. Vielleicht durfte man sich gar nicht anders verhalten, wenn man mit einem Mann verlobt war, der ein einflussreicher Franke war.
Genau betrachtet war Gerloc noch gar nicht verlobt. Erst am dritten Tag ihres Besuchs zogen sich die Männer hinter verschlossenen Türen zurück, um sich gegenseitig die Treue zuzusichern und Gerlocs Mitgift auszuhandeln.
Mathilda wartete mit Gerloc, die ungewöhnlich schweigsam war, im großen Saal. Die junge Frau starrte angespannt auf ihre Hände – vielleicht verging sie vor Angst, die Verlobung könnte im letzten Augenblick noch scheitern, vielleicht hoffte sie es insgeheim, ohne es sich je offen einzugestehen.
Mathilda blickte sich um. Junge Krieger lärmten in der Nähe des Eingangs, neckten sich erst harmlos, stritten sich dann verbissen und begannen sich zuletzt zu prügeln, ehe ein Älterer dem Treiben Einhalt gebot. Johan war unter ihnen und zwinkerte Mathilda vertraulich zu. Verlegen sah sie an ihm vorbei. Um den großen Kamin hatten sich die Frauen versammelt. Es fehlten zwar die der großen Grafen, aber deren Gefolgsleute hatten die ihren mitgebracht. Sie hielten Distanz zu Gerloc und Mathilda, tuschelten aufgeregt und warfen ihnen abfällige Blicke zu.
Mehr als einmal glaubte Mathilda zu hören, wie verächtlich von Gerlocs Vater Rollo gesprochen wurde. Auch ihr waren Geschichten darüber bekannt, dass er ein gefährlicher Nordmann war, der sein Land mit Gewalt ertrotzt hatte und letztlich, ob nun getauft oder nicht, ein Heide blieb, vor dem man sich zu fürchten hatte, doch die Blicke schmerzten sie, und sie verstand nicht, warum Gerloc sie nicht trotzig erwiderte, warum diese schrille, laute Frau hier so kleinlaut war.
Mathilda musterte Gerloc genauer. Ihr fiel auf, dass sie ungewöhnlich blass war. Und … war sie schmaler geworden? Sie hatte doch gut gegessen in all den Tagen, die sie auf Werghaupts Burg verbracht hatten. Wurde man, ganz gleich, wie viel man aß, neben einem solch bedeutenden Mann zum Schatten seiner selbst? Und dachte Gerloc, die immer davon geträumt hatte, eine andere zu werden – nicht Tochter eines Nordmannes, sondern Frau eines Franken –, dass dies schneller gelänge, wenn von ihrem ursprünglichen Wesen so wenig wie möglich übrig blieb?
Ihr Anblick war schwer zu ertragen, die Hitze des Kamins auch, eilig floh sie aus dem Saal. Draußen würde es kalt sein – aber Kälte hatte Mathilda nie gescheut, im Kloster war es immer kalt gewesen, und eine jede Nonne hatte das ertragen, als Zeichen, dass man bereit war, auf irdische Annehmlichkeiten zu verzichten. Mathilda gab vor, die Latrinen aufzusuchen, und verließ Gerloc. Die blickte gar nicht auf – andere Augen folgten ihr durch den Saal, zumindest fühlte es sich so an. Ja, da war erneut ein Blick auf sie gerichtet, er schien sich regelrecht in ihren Rücken einzubrennen. Mathilda erschauderte und sah sich um. Keine der Frauen beachtete sie, doch jäh spürte sie, wie Kälte sie traf – eine Kälte, die nicht von Wind und Eis und Schnee rührte, sondern von … Hass.
Verwirrt ging sie weiter und erreichte den Gang, der vom Saal ins Freie führte. Dicker Rauch staute sich hier, der ihr die Kehle verätzte. Das Unbehagen blieb auch außerhalb des großen Saals. Mathilda hielt inne, sah sich um, fühlte den
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