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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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einen Gang hinunter. Der Gang mündete in einem Raum. Sie sah zu wenig, um zu erkennen, welcher es war und ob hier jemand stand und sie erwartete. Die fremde Stimme schwieg nun und lockte sie nicht weiter. Ihre Augen brannten, und noch mehr ihre Brust, ein Schmerz tobte dort, der uralt war.
    Ich bin allein auf der Welt. Verlassen.
    Dass Arvid sie damals ohne Abschied in Fécamp zurückgelassen hatte, hatte an jenen Schmerz gerührt, wenngleich die Narbe nicht brechen lassen. Das gelang erst der geheimnisvollen Stimme, dem vielen Rauch, den Erinnerungen.
    Ich bin allein, gefangen, von denen getrennt, die mich lieben.
    Mathilda sah, dass auf einem hölzernen Tisch ein Krug stand. Wein mochte darin sein, Bier, Met oder Wasser. Es war ihr gleich. Ausspeien konnte sie den Schmerz nicht – ihn schlucken womöglich schon.
    Sie hob den Krug, setzte ihn an ihre Lippen und trank daraus, ohne etwas zu schmecken. Erst als sie den Krug sinken ließ, vermeinte sie, in etwas Bitteres gebissen zu haben. Schauder liefen über ihren Rücken, während ihr gleichzeitig Schweiß ausbrach. Der Krug in ihrer Hand wurde schwer, viel zu schwer, um ihn erneut an die Lippen zu heben. Er krachte zu Boden und zerbarst, Splitter trafen ihre Beine, doch sie spürte nichts. Als die Flüssigkeit ihre Leibesmitte erreichte, begannen die Krämpfe im Magen.
    Der bittere Geschmack verstärkte sich und mit ihm die Ahnung, dass sie Gift getrunken hatte.
    Mathilda fiel zu Boden, wand sich, verkrampfte sich, wälzte sich vom Rücken auf den Bauch und wieder zurück, ohne dass die Schmerzen im Leib nachließen. Sie schwitzte so sehr, dass sie sich sicher war, dass ihr kein Schweiß von der Stirn troff, sondern Blut, und jenes Blut färbte ihre Erinnerungen rot. Ja, ein blutroter Schleier hing vor ihren Augen, als sie hochblickte, als sie sah, wie sich jemand näherte, wie sich Hände auf ihr Gesicht legten, kühlende, beschwichtigende und dennoch gefährliche Hände. Sie brachten den Tod.
    »Wer bist du?«, wollte sie fragen, stattdessen fragte sie: »Wer bin ich?«
    »Das weißt du doch«, antwortete eine Stimme – raunend wie die des Geistes, der sie gerufen hatte. »Vielleicht willst du es nicht wissen, aber das ändert nichts daran, dass du es tief in deinem Herzen immer gewusst hast. Das Gift … es ist nicht gegen dich persönlich gerichtet – das war es nie. Ich hasse dich nicht, wenn es nach mir ginge, könntest du gern weiterleben. Aber ich bin nicht diejenige, die Entscheidungen trifft, das tut … sie . Sie kann nicht dulden, dass du weiterlebst. An dir hängt die Zukunft eines ganzen Reichs … deswegen musst du sterben …«
    Obwohl die Stimme nur flüsternd sprach, klang es in Mathildas Ohren wie Geschrei.
    »Bitte nicht …«
    Der Druck in ihrer Brust wurde übermächtig, die Krämpfe zerrissen sie. Sie schien nicht nur Gift geschluckt zu haben, sondern ein wildes Tier, das nun immer größer wurde, ihr mit seinen Klauen den Leib zerfetzte. Ihre Hände waren wie gelähmt und hatten keine Kraft, um nach jenen zu greifen, die ihr Gesicht streichelten. Sie hatte auch keine Kraft, die Augen geöffnet zu halten, um ihren Mörder zu erkennen – sie wusste nicht mal, ob es eine Frau oder ein Mann war. Der blutrote Vorhang wurde immer dunkler, und schließlich versank die Welt in Schwarz.
    Die Mitgift war ausgehandelt, das Treffen in Lyons-la-Forêt erfolgreich, die Freundschaft zwischen Wilhelm und seinen Nachbarn einmal mehr bekräftigt. Ob man sie ernst nahm oder sie erheuchelte, zählte nicht.
    Wie immer erfuhr Arvid als einer der Letzten davon. Man erwartete von den Mönchen in Graf Wilhelms Gefolge kein Interesse an der Staatsführung. Das hatte er auch nicht, er harrte nur ungeduldig darauf, endlich wieder in die Normandie zurückkehren zu können, ob nun nach Bayeux oder Fécamp war gleich, Hauptsache es war ein Ort, an dem es ihm leichter fiel, Mathilda aus dem Weg zu gehen. Hier war es ihm fast nicht gelungen. Hier war er ihr zweimal über den Weg gelaufen und hatte sich erst im letzten Augenblick verbergen können.
    Am leichtesten war es, ihr jetzt zu entgehen, da sich alle in der Halle versammelt hatten, um einmal mehr zu essen, zu trinken, zu feiern. Wie immer konnte er sich bei diesen Anlässen davonstehlen, indem er vorgab, in der Kapelle beten zu wollen, obwohl ihn eigentlich wenig dorthin zog. Die fränkischen Kleriker zeigten sich gegenüber Wilhelms Mönchen und Novizen misstrauisch. Auch wenn sie die gleiche Tonsur und

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