Kinder des Feuers
mehrere Unterkleider, die sie übereinandertragen würde, eine dunkelblaue und eine purpurfarbene Tunika, einige Ledergürtel mit goldenen oder silbernen Schnallen, schließlich die Vitta, ein gewebtes Band, das um den Kopf gebunden wurde und aus Goldbrokat bestand.
Mathilda kam nicht umhin, bewundernd darüberzustreichen. So kostbar es auch anzusehen war – es fühlte sich zu ihrem Erstaunen rau an. Was, wenn Gerlocs künftiger Mann auch so war – zwar schön und stattlich, aber grausam und herzlos? Gerloc war ihr zu aufdringlich und ihr eigenes Herz zu verschlossen, um in ihr eine Freundin zu sehen, aber als Mathilda sie nun so begeistert erlebte, hoffte sie plötzlich, ihr Enthusiasmus möge anhalten und dass sie in den nächsten Tagen keine bittere Enttäuschung erlebte.
»Und du hast wirklich keine Angst, ihm zu begegnen?«, fragte sie nun noch einmal bang.
Gerloc lachte sie jedoch nur aus. »Ich sagte doch schon, er ist ein Franke und mächtig.«
Mathilda wollte einwenden, dass es auch böse Franken und grausame Herrscher gab, aber sie beschloss, ihre Bedenken nicht laut zu äußern. Gerloc hatte so viele Jahre darauf gewartet, zu heiraten und das Erbe ihres Vaters abzuschütteln – wer, wenn nicht sie, konnte nachfühlen, wie erleichtert sie war.
An diesem Abend war es zu spät für ein Treffen mit Wilhelm Werghaupt. Bald legten sie sich zur Ruhe – Gerloc ins Bett und Mathilda an dessen Fußende. Auf dem Boden schliefen zwei Mägde, sie schnarchten laut und erhoben sich noch vor dem Morgengrauen. Am nächsten Morgen hatte Mathilda das Gefühl, kaum ein Auge zugetan zu haben, doch ihre Knochen schmerzten nicht mehr, und das frische Brot, der Käse und die dicke Milch, die zum Morgenmahl serviert wurden, schmeckten köstlich.
Falls sich Gerlocs Neugier doch mit Furcht davor paarte, nun bald dem Verlobten vorgestellt zu werden, zeigte sie es nicht. Wortreich wie immer kleidete sie sich an, frisierte ihr Haar, schmückte sich mit Juwelen und war gegen Mittag bereit, die große Halle zu betreten. Mathilda wäre gern ferngeblieben, doch Gerloc beschied sie energisch: »Du begleitest mich natürlich! Wer sonst könnte hinterher aller Welt erzählen, wie schön ich in dieser Stunde aussah.«
Mathilda verkniff sich den Einwand, dass eine wie sie gewiss kein brauchbares Urteil über Schönheit fällen konnte, und fügte sich wie so oft Gerlocs Willen.
Der Weg zum großen Saal führte über einen Empfangsraum und an mehreren kleinen Räumen vorbei, Vorratskammern, Schreibstuben der Notare und Unterkünfte für vornehme Gäste. Alle Wände waren aus Stein, nur die des Saals war mit Wandgemälden bemalt und mit großen Fellen von Auerochse oder Hirsch bespannt. In dem aus Bruchstein gemauerten Herd prasselte ein Feuer, die Fenster waren, obwohl der Frühling schon das Land grünte, mit dicken Stoffstücken abgedichtet, von der Decke hingen Öllampen.
Mathilda hielt die Augen zunächst gesenkt, begann dann aber doch, sich vorsichtig umzusehen – nicht nach Wilhelm Werghaupt wie Gerloc, sondern nach Arvid. Die meisten Gesichter, die sie musterten, waren fremd – sie erkannte nur den Grafen, Botho, Osmond und einen jungen Krieger, der manchmal mit Richard die danisca lingua übte und von dem sie wusste, dass er Johan hieß. Er lächelte ihr wie immer freundlich zu – und wie immer errötete sie und blickte zu Boden.
Es verging darum eine Weile, ehe sie bemerkte, dass auch Gerlocs Gesicht rot angelaufen war. Ihr künftiger Mann trat vor sie, sie verneigte sich tief, dann zog er sie an der Hand hoch. Mathilda war erleichtert, als sie Gerloc lachen hörte, und wagte nun ihrerseits, Werghaupt verstohlen zu mustern.
Er war groß, aber nicht ganz so groß wie die Nordmänner in Graf Wilhelms Gefolge, er war stämmig, aber trug keine furchteinflößenden Waffen. Sein Bart war rot, sein Haupthaar ebenso, die Augen braun. Warm blickten sie nicht, aber er erwiderte Gerlocs Lächeln, vielleicht weil sie ihm gefiel, vielleicht weil sie eine gute Partie war. Werghaupt, so hatte Mathilda am Tag zuvor erfahren, hatte mit einem Makel zu leben. Sein Vater Ebalus, dem er 934 nach dessen Tod gefolgt war, war ein Bastard gewesen, der seine Herrschaft gegen viele Feinde ertrotzen musste – Feinde, die er seinem Sohn ebenso vererbt hatte wie sein Reich. Nun führte Werghaupt Gerloc zur Tafel, rückte ihr den Stuhl zurecht und schnitt ihr das Fleisch klein, das serviert wurde.
Fern von der Gefährtin fühlte sich Mathilda
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