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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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dabei, daß dies voraussichtlich das letzte Mal war; sie war ihn leid, und Hal stak voller Furcht, und das – soviel hatte sie aus langer Erfahrung gelernt – war ein unglückliches Zusammenfallen.
    »Na schön«, sagte sie leise. »Dann weiß sie also über uns Bescheid. Aber sie weiß davon nur soviel, wie man von so was als kleines Kind eben wissen kann. Sie versteht es nicht.«
    »Sie sagte, es sei nicht richtig«, berichtete Barnes. Bonny seufzte. »Wo steckt sie jetzt?« erkundigte sich Barnes.
    »Dort hinter dem dicken Baum, um uns zu beobachten.«

Wie von der Tarantel gestochen sprang Barnes auf die Füße; er fuhr herum, die Augen weit aufgerissen, dann erschlaffte seine Haltung, als er die Wahrheit begriff. »Du und dein bösartiger Humor«, sagte er unterdrückt. Doch er kehrte nicht an ihre Seite zurück; er blieb stehen, ein paar Schritte entfernt, wirkte niedergeschlagen und mißbehaglich. »Wo ist sie wirklich?«
    »Sie ist raus zu Jack Trees Ranch getrampt.«
    »Aber ...« Er fuchtelte. »Der Mann ist doch geisteskrank! Wird er nicht ... Na, ich meine, ist das nicht gefährlich?«
    »Sie ist bloß hingegangen, um mit Terry zu spielen, dem sprechenden Hund.« Bonny setzte sich auf und begann Fetzen von Humus aus ihrem Haar zu zupfen. »Ich bezweifle, daß er überhaupt da ist. Das letzte Mal, als jemand Bruno gesehen hat, war er ...«
    »Bruno?« wiederholte Barnes. Er widmete ihr einen scheelen Blick.
    »Jack, meine ich.« Bonnys Herz fing an zu wummern.
    »Gestern abend hat er behauptet, er sei für die FalloutKatastrophe von neunzehnhundertzweiundsiebzig verantwortlich gewesen.« Barnes musterte sie unausgesetzt; sie wartete, während ihr das Herz im Halse pochte. Nun, früher oder später hatte es wohl herauskommen müssen.
    »Er ist verrückt«, entgegnete sie. »Oder nicht? Er glaubt ...«
    »Er glaubt«, sagte Hal Barnes, »er sei Bruno Bluthgeld. Habe ich recht?«
    »Unter anderem glaubt er auch das.« Bonny zuckte mit den Achseln.
    »Und er ist's auch, nicht wahr? Stockstill weiß es, du weißt es auch ... und der Neger weiß auch Bescheid.«
    »Nein«, widersprach sie, »der Neger weiß nichts, und hör endlich auf, immer ›der Neger‹ zu sagen. Sein Name ist Stuart McConchie. Ich habe mich mit Andrew über ihn unterhalten, und er sagt, dieser McConchie ist ein feiner Kerl, intelligent, lebenstüchtig und voller Schwung.«
    »Also ist Dr. Bluthgeld am Tag X nicht ums Leben gekommen«, sagte Barnes. »Er hat sich hier eingenistet. Hier hat er die ganze Zeit hindurch gesteckt, mitten unter uns gelebt. Der Mann, der für all das, was geschehen ist, die meiste Verantwortung trägt.«
    »Geh hin und mach ihn kalt«, sagte Bonny. Barnes stieß ein Brummen aus. »Ich mein's im Ernst«, versicherte Bonny. »Ich schere mich nicht mehr darum. Offen gestanden, ich wünschte, du würdest's tun.« Das wäre mal eine anständige, mannhafte Tat von dir, dachte sie. Mit so was könntest du nur deutlich gewinnen.
    »Warum hast du versucht, einen solchen Menschen zu schützen?«
    »Keine Ahnung.« Sie hatte keine Lust, darüber zu diskutieren. »Laß uns zurück ins Dorf gehen«, sagte sie. Seine Gesellschaft ödete sie an, und ihre Gedanken waren von neuem zu Stuart McConchie abgeschweift. »Mir sind die Zigaretten ausgegangen«, sagte sie. »Du kannst mich an der Zigarettenfabrik absetzen.« Sie schlenderte zu Barnes' Pferd, das anspruchslos
    – an einem Baum festgemacht – langes Gras rupfte.
    »Ein Strahli«, sagte Barnes mit Bitterkeit. »Nun willst du dich mit so einem einlassen. Na, darauf kann ich mir ja wirklich was einbilden.«
    »Du Laffe«, sagte sie. »Du hast sowieso Manschetten vorm Weitermachen, du möchtest mich doch ohnehin loswerden. Wenn du Edie das nächste Mal siehst, kannst du mit gutem Gewissen zu ihr sagen: ›Ich treibe nichts Schändliches und Schlechtes mit deiner Mama, mein Ehrenwort als Pfadfinder.‹ Stimmt's?« Sie stieg auf das Pferd, nahm die Zügel und wartete. »Nun komm schon, Hal.«
    Eine Explosion erhellte den Himmel.
    Das Pferd scheute und bäumte sich auf, und Bonny sprang ab, ließ sich seitwärts ins Gesträuch unter den Eichen fallen und rutschen. Bruno? dachte sie. Kann das tatsächlich er sein? Sie lag da und hielt sich den Kopf, schluchzte vor Schmerzen; ein Zweig hatte ihr die Kopfhaut aufgerissen, Blut rann ihr zwischen den Fingern und an den Handgelenken hinab. Barnes beugte sich über sie; er zog sie hoch, drehte sie um. »Bruno«, sagte sie.

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