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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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und Mr. Hardy hatte eine sehr brauchbare Katzenfalle gebaut, die sogar noch besser war als seine Ratten- und Hundefallen.
    Einige Leute hegten die Theorie, daß die Katzen in den
    Jahren nach dem Krieg eine Sprache entwickelt hätten. Des Nachts konnte man hören, wie sie einander in der Dunkelheit zumiauten, sich dabei irgendwie gekünstelt klingender, lebhafter Folgen rauher Laute bedienten, die sich von ihrem alten, früheren Geschrei merklich unterschieden. Und außerdem rotteten die Katzen sich zu kleinen Rudeln zusammen und – soviel stand immerhin fest – legten Futtervorräte an. Diese Futterverstecke, schlau für die Lagerung eingerichtet und glänzend getarnt, waren es gewesen, die die Menschen erstmals beunruhigt hatten, viel stärker als die neuartigen Laute. Auf jeden Fall waren die Katzen gefährlich, ebenso wie die Ratten und Hunde. Sie töteten und fraßen kleine Kinder, wann und wo es ihnen beliebte; wenigstens erzählte man das. Und natürlich fing man sie ihrerseits, wann immer möglich, und verzehrte sie gleichfalls. Vor allem mit Reis gefüllter Hund galt als wahre Delikatesse. Die kleine Lokalzeitung in Berkeley, die einmal wöchentlich erschien – die Berkeley Tribune –, veröffentlichte regelmäßigen Rezepte für Hundesuppe, Hundegulasch und sogar Hundepastete.
    Beim Gedanken an Hundepastete merkte Stuart, wie hungrig er war; er hatte den Eindruck, als hätte sein Hunger, seit die erste Bombe fiel, gar nicht mehr nachgelassen; seine letzte wirklich anständige Mahlzeit war sein Mittagessen bei Kürtchens Kulinarische Köstlichkeiten an dem Tag gewesen, als er mitangesehen hatte, wie der Phoko dort seinen Auftritt mit den falschen Visionen abzog. Und wo steckt der kleine Phoko jetzt? fragte er sich unversehens. Jahrelang hatte er nicht mehr an ihn gedacht.
    In der heutigen Zeit sah man natürlich viele Phokos, und so gut wie jeder von ihnen gurkte mit einem eigenen Karren durch die Gegend, so wie damals Hoppy, mit dem Körpergewicht genau in der Mitte, jeder in einer eigenen kleinen Welt, als sei er ein arm- und beinloser Gott. Der Anblick stieß Stuart nach wie vor ab, aber es gab heutzutage soviel Abstoßendes zu sehen ... Die Phokos waren nur eins von zahlreichen und zweifelsfrei nicht das schlimmste von solchen Dingen. Was ihm die heftigste Gänsehaut verursachte, so hatte er festgestellt, war der Anblick von Symbiotikern, wie sie die Straße hinabschlenderten: mehrere Personen, die an irgendeinem Bereich ihres Körpers miteinander verwachsen waren und Organe gemeinsam benutzten. Es handelte sich um etwas wie eine Bluthgeldsche Weiterentwicklung der früheren Siamesischen Zwillinge – doch waren die Symbiotiker nicht auf jeweils ein Paar beschränkt. Er hatte schon bis zu sechs in einer Traube gesehen. Und das Zusammenwachsen war nicht etwa im Mutterleib vorgegangen, sondern kurz nach der Geburt. Diese neue Vorsehung der Natur rettete das Leben unvollständiger Neugeborener, jener Kinder, denen innere Organe fehlten, die einen symbiotischen Anschluß brauchten, um zu überleben. Nun diente eine Bauchspeicheldrüse mehreren Personen – ein biologischer Triumph. Doch nach Stuarts Auffassung hätte man die Unvollständigen ganz einfach sterben lassen sollen.
    Rechts von ihm begab sich ein beinloser Kriegsbeschädigter in einem Boot aufs Wasser der Bay, ruderte zu einer Ansammlung von Trümmern hinüber, die aus dem Wasserspiegel ragten, ohne Zweifel das Wrack eines gesunkenen Schiffs. Rings um den abgesackten Rumpf ließ sich eine Anzahl Angelschnüre erkennen; sie mußten dem Kriegsbeschädigten gehören, der wohl hinruderte, um nachzusehen, ob etwas angebissen hatte. Während er dem Boot nachschaute, fragte sich Stuart, ob man damit wohl die andere Seite und San Franzisko erreichen könne. Es war vertretbar, dem Mann fünfzig Cent für eine Überfahrt zu bieten. Warum nicht? Stuart stieg aus dem Wagen und ging zum Ufer.
    »Heda, Sie«, rief er. »Kommen Sie mal her.« Er holte ei- nen Penny aus der Tasche und warf ihn hinunter auf die Landungsbrücke; der Kriegsbeschädigte sah den Penny, hörte ihn, und sofort drehte er das Boot in Gegenrichtung und kam zurückgerudert, strengte sich mächtig an, um schnell wieder ans Ufer zu gelangen, so daß ihm Schweiß übers Gesicht rann. Er grinste zu Stuart herauf und legte eine Hand hinters Ohr.
    »Fisch?« rief er. »Ich habe heute noch keinen gefangen, vielleicht später. Oder möchten Sie 'n kleinen Hai? Garantiert ungefährlich.« Er

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