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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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gehört.
    Ich reiße mich von meinem eigenen Anblick los und renne zur Hayabusa.
    Ich muss zuerst nach Hause, ein paar Kleinigkeiten packen, bevor ich mich auf die Suche nach Marek begebe. Das angefangene Buch gehört zu den wenigen Dingen, die ich mitnehmen werde.
    Als ich die Ausfahrt entlangschieße, bleibt alles ruhig. Sogar Ralf hat seinen Posten verlassen und es vorgezogen, nicht gegen mich anzutreten. Er ist doch cleverer, als ich angenommen habe.
    Verwundert bemerke ich, dass keine Polizeiwagen auftauchen, und selbst als ich vor dem Hochhaus anhalte, in dem sich mein Appartement befindet, sehe ich nicht einen einzigen Beamten.
    Alles auf eine Karte setzend, steige ich von der Maschine und betrete den Flur.
    Der Fahrstuhl bringt mich nach oben, und meine Nervosität steigt mit jedem Stockwerk. »Bleib ruhig«, sage ich zu mir. »So schnell finden sie nicht heraus, wer du bist.«
    Falls dein Bruder ihnen keinen Tipp gegeben hat
, sagt eine böse Stimme in meinem Hinterkopf, während ich die Kabine verlasse und auf meine Wohnungstür zugehe.
    Sie ist nur angelehnt.
    Sofort bleibe ich stehen. Die Polizei würde einen solchen Fehler nicht begehen, also … Wartet die nächste Überraschung auf mich? Hat Marek mir einen Umbra gesandt, der mich umbringen soll, nachdem ich lebend davongekommen bin?
    Ich betrete meine Wohnung und schalte das Licht ein.
    Auf den ersten Blick sieht es aus wie immer. Alles ist an seinem Platz, nichts liegt herum, nichts wurde durchsucht.
    Aber es riecht nach Blut!
    Dieses Mal löst es nichts in mir aus, ein anderer Geruch hat sich darunter gemischt, der mich irritiert. Ein bekannter Geruch. Ich folge dem Duft zur offenen Küche, und bevor ich sie erreicht habe, sehe ich das breite rote Rinnsal, das über die Schwelle und auf das Parkett läuft. Der Hauseigentümer wird es abschleifen lassen müssen, anders geht das Blut nicht mehr aus dem Holz.
    Ich schaue vorsichtig um die Ecke.
    Der Schlag eines Riesen scheint mich zu treffen, alles in meinem Unterleib zieht sich zusammen, und die Qual jagt durch mich hindurch; sogar mein Herz schmerzt. Die nackte Frau, die ausgeweidet auf meinem Küchentisch in der Mitte des Raumes liegt, ist Tanja.
    Ich presse die Hand vor den Mund, schlucke mehrmals und muss mich an den Rahmen lehnen, weil meine Beine zittern. »Nein, Liebes«, flüstere ich und trete näher.
    Wie es verschiedene und sehr individuelle Handschriften gibt, so erkennt man Chirurgen an kleinen Eigenheiten, die sie in ihr Handwerk einbauen. Mareks Messerführung ist unverkennbar.
    Ich trete neben den Leichnam, der noch warm ist. Er hat sie mit Geschwindigkeit und Präzision gleichermaßen seziert, wie wir beide es Hunderte Male zuvor in unserem Leben getan haben.
    Die Hautlappen an der Entnahmestelle hat er fein säuberlich vernäht, mit durchsichtigem Garn, so dass es nahezu unsichtbar ist. Die Innereien hat er fein säuberlich auf große und kleine Teller und Schüsseln verteilt, die Gedärme liegen in der Spüle; das Herz finde ich in einer Frischhaltebox.
    Ich bringe es nicht über mich, ihr ins Antlitz zu schauen, weil ich fürchte, dass mir ihre toten Augen Vorwürfe machen werden. Behutsam nehme ich ihre Hand und drücke sie. Aus meinem Entsetzen wird Trauer und Schmerz. Ich gestehe mir ein, dass ich Tanja nicht nur vertraut habe – ich habe sie geliebt.
    »Es tut mir leid, dass du das wegen mir erdulden musstest.« Ich weine mehr, als dass ich spreche. »Er wird tausend Qualen erleiden, bevor ich ihn töte.«
    Auf Tanjas Bauch liegt ein Kuvert. Es ist lang, aus Büttenpapier und auf groteske Weise blütenweiß. Alles in der Küche ist voller Blut, nur dieser Umschlag nicht, als sei er aus dem Nichts materialisiert. Eine geschwungene Sütterlin-Schrift sagt mir:
Für meine Schwester
.
    Ich reiße den Umschlag auf, eine Karte fällt mir in die Hand:
     
    Dort, wo es begann
.
    Oder es wird nichts von dir bleiben
.
     
    Es ist Mareks Botschaft an mich, und ich habe sie verstanden. Er wird seinen Willen bekommen, ich folge ihm in den Osten. Aber wenn er gedacht hat, dass er mich durch das Bedrohen meiner Linie schrecken kann, ist er einem Irrtum erlegen.
    Meine Sinne sind empfindlicher geworden, aufgeputscht durch das Blut. Ich vernehme die Schritte, die sich aus einiger Entfernung den Flur entlang auf meine Tür zubewegen. Den Geräuschen nach ist es ein Mann, ein einzelner Mann.
    Wer auch immer es ist, sein Timing ist nicht unbedingt gelungen.
    Ich konzentriere mich, ziehe mein

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